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Merkwürdiges Hilfsmittel beim Bau eines Eisenbahnviadukts

Das Neue Universum • 1900

Bei der Überbrückung tiefer Schluchten durch eiserne Viadukte ist man häufig nicht in der Lage, wie bei den früheren Steinviadukten den Bau von unten auf, gleichsam Stein für Stein, fördern zu können, denn solche Viadukte bestehen häufig nur aus zwei oder mehreren gewaltigen Stahlpfeilern, zwischen denen sich oben in schwindelnder Höhe eiserne Joche oder Bogen von hundert Meter oder noch größerer Länge spannen. Provisorische DrahtseilfähreProvisorische Drahtseilfähre beim Bau des Marun Viaduktes bei Freetown in der Sierra Leone. Wir haben die Schwierigkeiten dieser Art, die sich beim Bau der größten und höchsten Bogenbrücke Europas, der Kaiser-Wilhelm­brücke bei Müngsten, in den Weg stellten,  hier kennen gelernt. Die Schwierigkeiten beruhen nicht nur auf dem Materialtransport von einer Seite zur anderen über eine breite und tiefe Schlucht, sondern auch in dem notwendigen Verkehr der Arbeiter und Betriebsleiter, die bald auf einer, bald auf der anderen Seite zu tun haben, und wenn sie jedes mal den Weg hinunter und wieder hinauf nehmen sollen, viele unnötige Zeit dazu verbrauchen. Das Bild zeigt eine eigentümliche, allerdings nur für Schwindelfreie geeignete Vorrichtung, sich über diese Schwierigkeit hinwegzusetzen. Die Engländer, die in all ihren Kolonien eifrig bestrebt sind, durch Eisenbahnen und andere Verkehrsmittel Handel und Wohlfahrt zu fördern, sind gegenwärtig beschäftigt, von Freetown, der Hauptstadt ihrer westafrikanischen Besitzung Sierra Leone, eine Bahn ins Innere des Landes zu bauen. Nicht weit von ihrem Anfangspunkt entfernt muss dieselbe die tiefe und breite Marun­schlucht auf einem stählernen Viadukt kreuzen, mit dessen Konstruktion wir auf dem Bild einheimische Arbeiter unter der Leitung englischer Ingenieure beschäftigt sehen. Um sich den oftmaligen Weg durch eine gähnende Schlucht mit dem Hinab- und Heraufklettern, wohl reichlich eine Stunde Wegs, zu sparen, haben sich die Bauleiter eine sogenannte fliegende Brücke hergestellt, die jedenfalls nicht nur dem Personenverkehr dient, sondern auch in ausgedehntem Maße zur Beförderung von Lasten benutzt wird. An einem starken Drahtseil, das hüben und drüben am Ufer verankert ist, hängt eine leichte, zur Aufnahme von 5 – 6 Personen notdürftig ausreichende Plattform, die mit Hilfe einer Rolle beweglich ist. Die Hin- und Herbe­förderung dieser Plattform geschieht auf einfache Art durch Winden und dünne Seile, die von den Arbeitern auf einer Seite der Schlucht in Bewegung gesetzt werden.

Buchtipp:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte der technische Fortschritt im Seilbahnbau zu einer weltweiten Nachfrage nach Drahtseilhängebahnen für den Gütertransport über große Entfernungen. So wurde 1906 in Argentinien eine 34 Kilometer lange Bahn in Betrieb genommen, die einen Höhenunterschied von 3500 Meter überwand. Auch neue Personenseilbahnen wurden eröffnet, z. B. in Bozen und Rio de Janeiro.
Das vorliegende Buch führt mit zahlreichen Beispielen und über 120 Abbildungen durch diese faszinierende Epoche der Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 17,90 | 146 Seiten | ISBN: 978-3-8192-4655-5

• Auf epilog.de am 10. November 2025 veröffentlicht

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