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Zur Geschichte der Seilbahnen

Von Ober-Ingenieur Franz Ržiha

Österreichischer Ingenieur- und Architekten-Verein • 22.12.1877

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Erst seit ein deutscher Bergmann, der Oberbergrat Albert zu Clausthal, der gewaltigen Welt der Technik 1834 an Stelle des klumpigen Hanftaues und der klapperigen Eisenkette das feste und schmiegsame ›Drahtseil‹ darreichte, und erst seitdem diese Erfindung einfachster Art 1835 am Harz und 1836 zu Příbram in Böhmen die Praktiker zufriedengestellt hatte, konnte jene gewaltige Umgestaltung in der ›Förderung‹ völlig durchgreifen, welche wir der Dampfmaschine verdanken. Das Drahtseil wurde fortan zum Spekulations-Objekt einer ganzen Reihe denkender Köpfe und gebührt den Kärntner Bergleuten das Verdienst, sich zuerst praktisch mit jenem Förder-System beschäftigt zu haben, welches wir heute das System der Drahtseilbahnen nennen. Luftbahn mit endlosem Seil 1411Luftbahn mit endlosem Seil. Aus einer alten Handschrift des Johann Hartlieb um 1411. Im Jahr 1861 traten außerhalb des Gebietes der Alpen Freiherr v. Dücker und 1867 der Engländer Hodgson mit ihren Spezial-Systemen erfolgreich auf, und in neuerer Zeit sind auch von Weisshuhn in Troppau, Picker in Bleiberg, Leuscher bei Eisleben und Bleichert & Otto in Leipzig u. A. hervorragende geistige und praktische Leistungen auf diesem Spezialgebiete der Förderung zu verzeichnen. An was wir uns aber bei der Betrachtung der Geschichte der Drahtseilbahnen besonders erinnern müssen, ist die Tatsache, dass etwa im Jahr 1870, als Hodgson auftrat, durch tüchtige Agenten allgemein der Glaube an eine gänzlich neue Erfindung verbreitet wurde, und zu jener Zeit in der Literatur nur vereinzelt und auf kein größeres Alter dieser wichtigen Erfindung zurückgegriffen wurde, als auf jenes der Bestrebungen Dückers, des eigentlichen Reformators der Förderung auf Drahtseilbahnen, der, wie bemerkt, schon 1861, und zwar zu Oeynhausen und zu Bochum aufgetreten war, und in dessen Fördersystem die geistige Wahlverwandtschaft mit der bergmännischen ›Seilförderung‹ (maschinelle Förderung) nicht erkannt werden konnte, eine Förderart, welche deutsche Bergleute (Herold) schon 1852 im England studiert hatten.

Gelegentlich der Verfolgung einiger Studien über die Geschichte der Sprengarbeit habe ich nun kürzlich zwei Quellen aufgefunden, welche das Alter des Systems der Förderung auf Seilbahnen weit mehr zurückführen, als solches gemeinhin bis jetzt angenommen wurde, nämlich bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts, was das Prinzip dieser Förderart, und bis zum Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts, was die Ausbildung jenes Details betrifft, welches die automatische Fortbewegung der Fördergefäße über die Stützrollen hinweg besorgt, und welches bis jetzt immer als die eigentliche Erfindung der Neuzeit bei Seilbahnen gepriesen wurde. Selbstverständlich kann es sich bei diesen zwei historischen Quellen nur um Hanf- und nicht um Drahtseile handeln.

Die erste Quelle befindet sich in der Hofbibliothek zu Wien und ist ein sogenanntes Feuerwerksbuch, also eines jener kostbaren Handschriften, in denen die Artilleristen des Mittelalters, die Zeugmeister, neben ihren Kenntnissen in der Kunst der ›Äkeley‹ und in der Bereitung des Pulvers auch ihre anderen technischen Kenntnisse niedergelegt haben, Handschriften, welche namentlich für die Geschichte des Ingenieurwesens von ganz besonderem Wert sind. Die Handschrift rührt von Johann Hartlieb und aus dem Jahr 1411, also ganz aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts her, und ist eine der ältesten der bekannten derartigen Handschriften überhaupt. Hier findet sich nun eine regelrechte ›Seilbahn‹ abgebildet (Abb. 1). Zur linken Hand der Zeichnung ist eine Burg dargestellt, die auf einem Felsen steht; in der Mitte des Bildes ist ein tiefes Tal, der Burggraben skizziert, und zur Rechten steht ein Mann vor einem Haspel, um dessen Wellrad ein Seil ohne Ende geschlungen ist, das sich in einem Zugang zur Burg (wo die Spannwelle steht) verliert; auf dem Seil hängen nun die Transportgefäße (Körbe), welche durch den bezeichneten Mechanismus über die Schlucht bewegt werden.

Während nun durch diese Quelle das hohe Alter des Prinzips der Seilbahnen historisch festgestellt erscheint, bietet die zweite Quelle den Beweis einer schon sehr alten, bedeutsamen Ausbildung des Details. Diese zweite Quelle ist das ›Theatrum machinarum hydrotechnicarum‹ von Jacob Leupold, Leipzig, erste Auflage 1714, neu aufgelegt 1774. Dieser Schriftsteller wurde am 25. Juli 1674 zu Planitz bei Zwickau in Sachsen geboren, lernte anfänglich das Drechslerhandwerk und studierte später zu Jena und Wittenberg Mathematik, ging als Lehrer nach Leipzig, wurde zum Mitglied der Florenzer Akademie ›del’ Onore letterario‹ und später 1725 zum preußischen Bergrat wegen seiner hervorragenden Kenntnisse und praktischen Leistungen auf dem Gebiet des Bergmaschinenwesens ernannt. Leupold, welcher 1727 starb, ist für die Geschichte der Ingenieur-Wissenschaften ein Autor, dessen Wert in der Gegenwart ganz besonders zu schätzen ist, denn er gibt uns durch seine in sieben Bänden gesammelten Abhandlungen und Zeichnungen aus dem Gebieten Mathematik, Geometrie, Statik, Mechanik, Hydraulik und des Brückenbaues, bei dem er sich allerdings meist auf Schramm stützt, ganz genaue Kenntnis von dem Zustand schon hoher Entwicklung der Ingenieur-Wissenschaften lange vor der Zeit der Dampfmaschine. Für historische Forschungen im Rahmen unseres Faches ist Leupold eine der edelsten Fundgruben; sie enthält unter anderem auch schon das Abbohren eines weiten Brunnenschachtes (zu Amsterdam), welches Verfahren bis jetzt irrtümlich als zuerst 1844 durch Combes angeregt und durch Kind und Choudron ausgeführt betrachtet wurde.

 In diesem obgenannten Werk nun befindet sich im 17. Kapitel eine von Adam Wybe erbaute ›Seilbahn‹ abgehandelt.

Bezüglich des Alters der Erfindungen des Holländers Wybe und des deutschen Leupold ist hier nur zu sagen, dass es vor 1727, dem Todesjahre des Letzteren, liegen muss. Die nähere Altersbestimmung und die Auffindung einer Originalzeichnung der Danziger Maschine, deren Deponierung im germanischen Museum sehr erwünscht sein würde, erscheint für die Geschichte der Ingenieur-Wissenschaften so wichtig, dass ich die Kollegen in Danzig und Leipzig zu weiteren Recherchierungen hiermit anregen möchte.

Entnommen aus dem Buch:
Während Seilbahnen im ostasiatischen Raum schon recht früh zum Einsatz kamen, wurden in Europa erst ab dem späten Mittelalter vereinzelte Anlagen erbaut. Ausgehend von der Entwicklung von Seileriesen für den Holz-Transport begann dann um 1870 die systematische Konstruktion von Seilbahnen. Gustav Dieterich schildert die Geschichte der Seilbahnen von den Anfängen bis zum ›System Bleichert‹, und so bietet diese erweiterte und reichhaltig illustrierte Neuausgabe einen umfassenden Überblick über die Erfindung der Drahtseilbahnen.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 172 Seiten | ISBN: 978-3-7693-4011-2

• Auf epilog.de am 16. April 2025 veröffentlicht

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