Verkehr – Transport
Drahtseilbahnen nach Hodgson
Der Berggeist • 18.6.1869
Das Drahtseil-Transportsystem bezweckt einem langgehegten Bedürfnis nach Zweiglinien, nach Zuführungsadern zu den großen Verkehrsstraßen abzuhelfen. Seine entsprechende Anwendung wird es stets finden, wo es sich handelt, ein Verkehrsmittel herzustellen, um die Produkte eines Landes, nach Eisenbahnlinien, Flüssen oder der Seeküste hinzuschaffen, und Zweig-Eisenbahnen, Pferdebahnen usw. teils wegen ihrer Kostspieligkeit, teils wegen örtlicher Hindernisse, sei es durch Flüsse oder Schluchten u. dgl. uns im Stich lassen. In finanzieller Hinsicht wurde besonders ins Auge gefasst und auch glücklich erzielt, dass die Drahtseilbahnen an Anlage- und Betriebskosten sich nicht nur billiger stellen wie Zweig-Eisenbahnen oder Pferdebahnen auch der schmalsten Spuren, sondern sogar billiger, wie ein mittelmäßig guter Weg.
Drahtseile waren bereits früher auf kleine Strecken in Anwendung gebracht, und zwar nicht allein in Indien und Australien, sondern auch in einigen europäischen Bergwerks-Distrikten, wo man durch Überspannung eines Flusses oder einer Schlucht vermittelst eines einfachen Drahtseiles Mineralien hinüberschaffte. Jedoch dabei blieb es; eine weitere Anwendung und Ausdehnung des Seiltransportsystems scheiterte an verschiedenen Schwierigkeiten, unter denen insbesondere zu nennen sind:
1. der Übergang der am Seil hängenden Last über die Unterstützungspunkte;
2. die Ausgleichung der stets wechselnden Kraft, was das bald Auf-, bald Abwärtssteigen der Last mit sich bringt und praktisch große Schwierigkeiten für die Triebmaschine darbietet;
3. die Verteilung der Last über die ganze Linie.
In dem neuen System von Hodgson werden sämtliche Schwierigkeiten überwunden. Die Last hängt vermittelst eines besonders gebogenen Eisens mit ihrem Schwerpunkt senkrecht unter dem Seil, während das Stück, welches auf dem Seile aufliegt und an welches das gebogene Eisen befestigt ist, wegen seiner Form über die Unterstützungspunkte hinweggeht (s. Abb. 1).
Eine Gleichmäßigkeit in dem Krafterfordernis wird dadurch erzielt, dass nicht mehr ein einzelnes, sondern eine Menge, in gewissen Zwischenräumen sich nachfolgender Gefäße den aufsteigenden gegenüber ein Gleichgewicht in der erforderlichen Triebkraft herstellen, so dass solche durch ein richtiges nacheinander Folgen lassen der Gefäße sogar ganz reguliert werden kann.
Das System umfasst zwei verschiedene Ausführungsmethoden:
- die erste, wo ein Paar durch Böcke unterstützte Leitseile angewandt werden, die als Schienen dienen, und wo die aufeinanderfolgenden Gefäße von einem endlosen Triebseil fortbewegt werden, wie Nr. 1;
- die zweite, wo ein einfaches endloses Seil gleichzeitig als Leit- und Triebseil dient, es bewegt sich dann an den Unterstützungspunkten über Rollen (s. Nr. 2).
Nachdem im Herbst 1868 der erste Versuch auf einer 800 m langen Linie mit Erfolg gemacht, wurden die praktischen Details sofort ausgearbeitet und ein Kontrakt eingegangen zur Anlage einer Linie von 4800 m Länge in der Nähe von Leicester (England). Solche wurde Anfang 1869 vollendet und dient dazu, die Steine aus den Granitbrüchen von Ellis & Everard in Markfield nach der Midland-Railway-Station Bardon Hill zu schaffen.
Diese Linie besteht aus einem endlosen Drahtseil von 40 mm Umfang, unterstützt durch eine Reihe 40 cm-Rollen, welche auf feststehenden Böcken ruhen. Die Böcke sind meist 46 m voneinander entfernt, jedoch wo nötig, wird die Spannung eine größere und steigt in einem Falle sogar auf nahe 180 m. Das Seil geht an einem Ende um eine sogenannte Fowlersche Seiltrommel (Fowler’s clip drum) herum, welche vermittelst einer Lokomobile getrieben wird und so dem Seil eine Geschwindigkeit von 6 – 10 km/h gibt (Abb. 2).
Die Gefäße werden am Landungsplatze auf das Seil und an der Eisenbahnstation von dem Seil geleitet, vermittelst Weichenschienen. Jedes Gefäß hat nämlich ein Paar schmale Rollen, welche auf die Schienen fassen. Die leeren Gefäße werden auf der anderen Seite wieder auf das Seil aufgeschoben und kehren nach den Steinbrüchen zurück.
Abb. 3. Wagen der Hadgsonschen Drahtseilbahn.Jedes dieser Gefäße (Abb. 3) hält 50 kg Steine und beträgt die Beförderung 200 Gefäße oder 10 Tonnen per Stunde auf 4800 m Entfernung. Die Verhältnisse einer solchen Drahtseillinie können selbstverständlich den verschiedenartigsten Anforderungen angepasst werden, der Transport mag variieren zwischen 10 t und 1000 t per Tag in Einzellasten von je 50 – 500 kg Schwere. Zur Fortbewegung der Gefäße von 50 kg bis 250 kg erweist sich der Betrieb mit einfachem Drahtseil als völlig genügend. Für die schwereren Lasten von 250 kg bis 500 kg wäre zweckmäßig die andere Methode mit Leit- und Triebseil anzuwenden.
Abb. 4. Kurvenstation der Hadgsonschen Drahtseilbahn.Beide Linien erfreuen sich in gleicher Weise des Vorteiles, über Landstrecken von der sonderbarsten Beschaffenheit Güter mit Leichtigkeit hinwegzuführen. Die technischen Schwierigkeiten sind nicht größer als diejenigen, welche der Anlage einer oberirdischen Telegrafenlinie entgegenstehen: Brücken, Dämme, sogar alle Mauerarbeiten sind überflüssig. Kurven (Abb. 4) oder Winkel, welche bei Übergängen in Seitentäler entstehen, bieten kein Hindernis dar, auch können nötigenfalls Zweiglinien in eine Haupt-Drahtseilbahn eingeführt werden.
Der Preis für Aufstellung einer solchen Drahtseilbahn hängt sehr ab von der Größe der Einzellasten sowohl, wie von dem Gesamtquantum, welches man zu fördern wünscht, dagegen weniger von der Beschaffenheit des Bodens, den man zu überschreiten hat.
Wie wir vernehmen, hat die bekannte Firma Felten & Guilleaume in Köln die Initiative ergriffen, um Hodgsons Drahtseil-Transportsystem in die diesseitigen Bergwerksreviere einzuführen. Besagte Firma steht dieserhalb bereits in Unterhandlung mit mehreren größeren inländischen Bergwerks-Gesellschaften und wäre es zu wünschen, dass recht bald ein praktischer Vorgang geschaffen würde, dem ohne Zweifel viele andere Zechen und auch hüttenmännische Etablissements folgen würden.
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