Berliner Stadt- und Ringbahn
Friedrichstraße, Bahnsteig D
Alter Bahnhof im neuen Gewand
tvi.ticker • 27. Mai 2002
Frühzeitig wurde erkannt, dass die in Ost-West-Richtung die Stadt durchschneidende Stadtbahn einer Ergänzung in Nord-Süd-Richtung bedarf. Schon 1896 wurde die Forderung nach dieser für Berlin so dringend notwendigen Nordsüdverbindung erhoben. Der Wunsch sollte jedoch erst 40 Jahre später erfüllt werden.
Mit dem Bau der Tunnelstrecke wurde 1934 begonnen; doch noch während des Baues, der 1939/40 beendet wurde, gab es zahlreiche Änderungen, bedingt durch die 1937 einsetzende Planung des Generalbauinspektors für den Ausbau der Reichshauptstadt.
Der nördliche Tunnelabschnitt wurde 1936 eröffnet, er konnte bis ›Unter den Linden‹ schon während der Olympischen Spiele benutzt werden. Die ganze Tunnelstrecke wurde im Oktober 1939, also schon nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, in Betrieb genommen.
Zum Kriegsende wurde der Tunnel an zwei Stellen zerstört: Die Spreeunterfahrung nördlich des Bahnhof Friedrichstraße hatte einen Bombentreffer erhalten, die Unterfahrung des Landwehrkanals ist in den letzten Kriegstagen vermutlich von der SS gesprengt worden. Die Wiederherstellungsarbeiten setzten bald nach Kriegsende ein; angesichts des damaligen Mangels an Baugerät und Baustoffen konnte die Tunnelstrecke in überraschend kurzer Zeit wieder befahrbar gemacht werden.
Bahnhof Berlin Friedrichstraße
Der Bahnhof Berlin Friedrichstraße ist ein Bauwerk mit einer für Verkehrsbauten vielleicht typischen, sehr wechselhaften Geschichte. Der obere Bauteil wurde ursprünglich 1881–82 mit der kleineren Nordhalle als Bahnhof auf der Stadtbahn mit nur einem Bahnsteig errichtet. Mit der Erweiterung der Stadtbahn für den Fernverkehr kamen in den Jahren 1919–25 mehrere Umbauten bis zur Erweiterung des Bahnhofes mit einer zweiten größeren südlichen Fernbahnhalle.
Mit der Errichtung der Nordsüd-S-Bahn erlangte der Bahnhof Friedrichstraße ab 1936 eine enorme Aufwertung, da er als zentraler Knotenpunkt ideale Umsteigebeziehungen zwischen den Nahverkehrslinien der Stadtbahn und der Nord-Süd-Bahn, wie auch zum Fernverkehr bot. Von der unterirdischen Bahnsteigebene führen schon zu diesem Zeitpunkt Fahrtreppen in die Bahnhofshalle und ermöglichen eine optimale Umsteigebeziehung zur Stadt- und Fernbahn.
Nach 1961 wurde aus diesem idealen Verkehrsknoten eine Grenzübergangsstelle. Der von den ›Urvätern‹ konzipierte optimale Verkehrsverbund zwischen Stadtbahn und Nordsüd-S-Bahn war nun erheblich gestört oder ganz unterbrochen. Andere unterirdische Haltepunkte wie ›Unter den Linden‹ und Potsdamer Platz glichen Geisterbahnhöfen, bei denen die Zugänge geschlossen und im Straßenland nicht mehr sichtbar waren.
Der unterirdische Bahnhof Friedrichstraße blieb jedoch im Zusammenhang mit der Grenzübergangsstelle in Betrieb und erhielt in den 1970er Jahren ein neues Gewand.
Die Keramikbekleidung der Stützen und Bahnsteigaufbauten mit orange-braunen Fliesen und die Tunnelwandbekleidung mit weißen Holzpaneelen weicht jedoch stark vom architektonischen Entwurf ab. Zusätzliche Einbauten auf dem Bahnsteig haben das übersichtliche Erscheinungsbild des Bahnsteiges weiter entstellt.
Der neue Bahnhof Berlin Friedrichstraße
In den Jahren 1995–1999 erhielt der Bahnhof mit Ausnahme des unterirdischen Bahnsteigs D seine wohl umfassendste Umgestaltung. Nachdem der Bahnhof nach Öffnung der Mauer 1989 wieder seine verkehrliche Bedeutung erlangt hatte, wurde schnell klar, dass durch die zahlreichen Umbauten und die mangelnde Instandhaltung der Bahnhof den Anforderungen als Verkehrsknotenpunkt und modernes Dienstleistungszentrum nicht mehr gewachsen war. Besonders die verschachtelten Einbauten der Grenzkontrolle und Überwachung innerhalb des Gebäudes vermittelten eine bedrückende Atmosphäre und machten den Bahnhof unübersichtlich. Die Umgestaltung hatte zum Ziel, einen modernen Umsteigebahnhof zu schaffen mit den Möglichkeiten der Vermarktung und der Erhöhung der Attraktivität für Fahrgäste und Besucher.
Zuerst musste eine neue übersichtliche Wegführung von und zu den Bahnsteigen entwickelt werden. Im Bahnhof wurde eine große Längshalle geschaffen und zwei neu geschaffene Querpassagen leiten den Fahrgast zu den Bahnsteigen, die alle über Fahrtreppen und Aufzüge erschlossen sind.
Die Umgestaltung des Bahnhofes erfolgte unter voller Aufrechterhaltung des S-Bahnbetriebes sowohl auf der Stadtbahn wie auch auf der Nordsüd-S-Bahn. Während der S-Bahn-Verkehr der Stadtbahn zwischenzeitlich auf die gesperrten Fernbahngleise ausweichen konnte, musste der unterirdische Bahnsteig D der Nordsüd-S-Bahn während der gesamten Umbauphase in Betrieb bleiben. Deshalb konnte auch die Neugestaltung des Bahnsteigs D nicht im Zusammenhang mit dem Umbau des oberirdischen Bahnhofsteils realisiert werden. Eine gleichzeitige Sperrung des Bahnsteiges D hätte in dem ohnehin schwierigen Bauzustand die Umsteigeverhältnisse auf ein nicht mehr zu vertretendes Maß erschwert.
Der neue Bahnsteig D
Für die Nordsüd-S-Bahn musste also ein eigener Umbauzeitplan gefunden werden, wobei neben dringenden Instandsetzungsarbeiten auf den unterirdischen S-Bahnhöfen gleichzeitig auch notwendige Arbeiten am Tunnel und an den Gleisanlagen durchgeführt werden. Durch die Bündelung dieser Maßnahmen werden die Fahrgäste nur minimal beeinträchtigt. Gleichzeitig bietet sich die einmalige Möglichkeit, eine grundlegende Neugestaltung des unterirdischen Bahnsteigs D des Bahnhof Friedrichstraße durchzuführen und damit die Umgestaltung des Bahnhofes, die 1995 begonnen wurde, zu vollenden.
Die Sanierung des Ausgangsbauwerkes Nord (Reichstagsufer) begann bereits am 25. Februar 2002, die Hauptbaumaßnahme zur Erneuerung der Bahnsteigebene liegt in der Zeit vom 16. Juni bis zum 13. Oktober 2002 während der Vollsperrung dieses Streckenabschnittes. Vorbereitend wurde eine Bestandsaufnahme veranlasst und die Kabel im Bahnsteigunterbau überprüft und in neuen Kabeltrassen abgelegt. Mit Beginn der Vollsperrung beginnt die ständige Baustellenversorgung auf der Schiene mit einen Umschlag von insgesamt rund 9000 t Abbruch- und Neubaumaterial. Das Baumaterial wird dabei über den Nordsüd-Tunnel vom Nordende her eingefahren.
Die den Bahnsteig teilenden Gebäude auf der Mittellinie werden entfernt und durch Neubauten ersetzt. Die erst später hinzugefügten seitlichen Mitteltreppen werden zurückgebaut. Die verbleibende Mitteltreppe wird mit zwei Fahrtreppen ergänzt, die einen Übergang zwischen Tunnel und Erdgeschoss und über weiterführende Fahrtreppen zu Regional- und S-Bahnsteigen der Stadtbahn ermöglichen. An den stirnseitigen Ausgangsbauwerken stehen weiterhin Fahrtreppen zu den Zwischengeschossen zur Verfügung. Der behindertengerechte Zugang bleibt über einen Aufzug zum Erdgeschoss der Empfangshalle erhalten. Das Bahnsteigmobiliar wird dem Erscheinungsbild der oberirdischen Bahnsteige angepasst, ebenso das Wegeleitsystem und die Zugzielanzeiger.
Die architektonische Gestaltung des unterirdischen Haltepunktes lehnt sich an den historischen Entwurf an, wobei sich wesentliche Gestaltungselemente in zeitgenössischer Bauweise wiederfinden. Die Verkleidung von Tunnelwänden, Stützen und Bahnsteigaufbauten wird aus hellgrauen Keramikfliesen bestehen, die im Farbton der historischen Vorlage entsprechen, jedoch im Format insbesondere an den Tunnelwänden ein größeres Raster darstellen. Der Bodenbelag des Bahnsteiges und der Eingangsbauwerke wird ebenfalls in Anlehnung an den historischen Zustand mit anthrazitfarbenen Bodenplatten gestaltet und mit einem Blindenleitsystem ergänzt.
Der Tunnel zur U 6 und die Ausgangsbauwerke Nord und Süd werden in Abstimmung mit der Denkmalpflege rekonstruiert. Die Umwehrung der Ausgangsbauwerke erfolgt dabei nach historischen Vorbild mit einem Brüstungsmauerwerk.
Ziel der Baumaßnahme ist es, einen modernisierten S-Bahnhaltepunkt zu schaffen, der den hohen Anforderungen an einen wichtigen Umsteigeknoten auch in Zukunft gewachsen ist und trotzdem seine Geschichte nicht verleugnet.
Quelle: S-Bahn Berlin GmbH