Berliner Stadt- und Ringbahn

Die Betriebseinrichtungen der Berliner Stadtbahn im Vergleich zu denjenigen anderer Bahnen

Zentralblatt der Bauverwaltung • 19.11.1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 7 Minuten.

Die eigenartigen Anforderungen, denen der Betrieb der Berliner Stadtbahn zu genügen haben wird, lassen bei demselben mehrfache Abweichungen von den sonst für den Eisenbahnbetrieb gültigen Normen geboten erscheinen. Diese Abweichungen, welche in den in Mitteilungen vom 8.10.1881 dieses Blattes über  die Einrichtung des Lokalverkehrs auf der Berliner Stadtbahn nur teilweise und nebenbei angedeutet sind, dürften insofern ein besonderes Interesse beanspruchen, als sie wesentlich darauf abzielen, die Benutzung des neuen Verkehrsmittels zu erleichtern, den Betrieb zu vereinfachen und die Störungen, welche aus demselben für die Anwohner der Stadtbahn erwachsen können, tunlichst zu verhüten.

Was zunächst die Gestaltung der Stadtbahn-Lokalzüge betrifft, so war in jenen Mitteilungen bereits erwähnt, dass die für den Lokalverkehr bestimmten Personenwagen einen ungewöhnlich tief liegenden Fußboden erhalten, um das Einsteigen der Passagiere zu erleichtern, ohne deshalb in der Höhenlage der Perrons gegen die Schienen von der üblichen Anordnung abweichen zu müssen. Die Frage liegt nahe, warum eine derartige für das reisende Publikum bequeme Einrichtung der Personenwagen, wenn sie auf der Stadtbahn zulässig ist, nicht allgemein auch bei den Zügen anderer Bahnen zur Anwendung kommen kann. Dies verbietet sich aus dem Grund, weil die durchgehenden Zugstangen, welche bei den normal konstruierten Personenwagen die an beiden Wagenenden befindlichen Zughaken miteinander verbinden, bei der tiefen Lage des Fußbodens nicht angebracht werden können. Diese durchgehenden Zugstangen sind aber bei langen Zügen und bei Zügen mit großer Fahrgeschwindigkeit im Interesse der Sicherheit nicht wohl zu entbehren. Bei den Stadt- und Ringbahnzügen dürfen sie daher auch nur deshalb fehlen, weil diese Züge stets eine geringe Achsenzahl führen werden und mit mäßiger Geschwindigkeit – nicht über 45 km in der Stunde – fahren sollen. Die ausschließlich auf der Stadtbahn hin- und hergehenden Züge werden meist mir 1 Personenwagen II. Klasse und 2 Personenwagen III. Klasse zu enthalten brauchen. Die Stadt-Ringbahnzüge werden auch bei der stärksten Frequenz nicht über 8 Personenwagen oder, da die Wagen sämtlich zweiachsig sind, nicht über 16 Wagenachsen führen. Sollte diese Anzahl in außergewöhnlichen Fällen dem Bedürfnis nicht genügen, so werden Extrazüge befördert werden. Ein Schutzwagen, wie er sonst unmittelbar hinter dem Tender eingestellt wird, ist bei diesen kurzen Zügen entbehrlich; es wird stattdessen nur das vorderste Coupé des ersten Personenwagens als Schutzcoupé unbesetzt bleiben. Ein besonderer Tender ist ebenfalls nicht erforderlich; die Stadtbahn-Lokomotiven sind als Tender-Lokomotiven konstruiert, was zugleich den Vorteil hat, dass sie beim Wechsel der Bewegungsrichtung nicht gedreht zu werden brauchen. Sie werden ausschließlich mit Koks geheizt und sind mit geeigneten Vorrichtungen versehen, um bei möglichst vollkommener Verbrennung des Heizmaterials einer lästigen Rauchentwicklung und dem Auswerten von Funken und Asche vorzubeugen.

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Mit dem Bau der Berliner Stadt- und Ringbahn entstand eines der innovativsten Verkehrssysteme des späten 19. Jahrhunderts. Die Betriebsabläufe mussten abweichend von den für den Eisenbahnbetrieb gültigen Normen vollkommen neu gedacht werden. Die Effizienz des 1881 entwickelten Konzepts wurde bis heute nicht wieder erreicht.
eBook € 1,99 | eISBN: 978-3-7562-9316-2

• Auf epilog.de am 9. Mai 2021 veröffentlicht

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