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Die Luft-Eisenbahn zu Lyon

Das Buch für Alle • 1873

Die große Gewerbe-Ausstellung, welche im Frühjahr 1872 im Park de Téte d’or zu Lyon eröffnet wurde, hat zur praktischen Erprobung eines neuen Eisenbahnsystems Veranlassung gegeben, welches in unmittelbare Verbindung mit dieser Ausstellung gebracht wurde und gleichsam einen Teil derselben bildet, nämlich der sogenannten Luft-Eisenbahn. Der Park, worin die Ausstellungsgebäude liegen, ist etwas entfernt von dem gewerblichen und Verkehrszentrum von Lyon, und man hat daher zur Erleichterung der Verbindung zwischen der Stadt und der Ausstellung von der Morand-Brücke aus die Eisenbahn angelegt, von welcher unser Bild eine Ansicht gibt. Der Park der Tete d’or, für die Lyoner eine Art Boulogner Gehölz, liegt an der Nordostseite der Stadt am linken Ufer der Rhone, etwa 20 Minuten von der Stadt entfernt, und ist in der Tat einer der schönsten Stadtparks, die man sehen kann. Die Eisenbahn, welche von der zweiten Rhonebrücke, der Morand-Brücke, zu ihm hinausgeleitet wurde, fand von der Place Louis XVI. an das ganz ebene Kai vor, das den Stadtteil Les Brotteaux vom Rhone trennt.

Luft-EisenbahnDie neue Luft-Eisenbahn zur Beförderung der Reisenden von der Morand-Brücke in den Park de Téte d’or zu Lyon.

Die Eisenbahn verläuft auf Schienen, welche zu beiden Seiten eines horizontalen unteren Tragbalkens angebracht sind, und über Drähte und Rollen, die an dem oberen Tragbalken verlaufen. Der Waggon ist ein Kasten mit drei Abteilungen, deren beide äußere je eine Reihe Sitze enthalten; in der mittleren Abteilung befinden sich vier Räder mit Achsen, welche auf der Schiene der Oberseite des oberen Tragbalkens laufen und den Waggon tragen. Die bewegende Kraft ist eine stehende Dampfmaschine mit einem Drahtseil, welches von der einen Trommel sich ab- und auf der anderen sich aufwickelt und den oder die Wagen hin und her befördert. Auch auf dem Verdeck des Waggons sind Sitzplätze angebracht, welche allfällig benützt werden können. Dieses Eisenbahnsystem ist nichts Neues, sondern die Verbesserung jener sogenannten schwebenden Bahnen, welche in England und Wales schon seit längerer Zeit in verschiedenen Bergwerken und Steinbrüchen bestehen, die wir aber hier zum ersten Male zur Beförderung von Personen angewendet sehen. Für kurze Strecken und mäßige Frequenz scheint dieses System auch seinen Zweck vollkommen zu erfüllen.

• O. M.

Entnommen aus dem Buch:
Die Aufbruchstimmung und der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert führten zu immer neuen Erfindungen, die den Verkehr beschleunigen und die Antriebe optimieren sollten. Dabei wurde oft das System von mit Dampflokomotiven bespannten Zügen auf zwei Schienen grundlegend in Frage gestellt. Manche dieser Ideen sind heute wieder aktuell, und so lohnt sich ein unverfälschter Blick auf dieses interessante Kapitel der Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 148 Seiten | ISBN: 9-783-7583-7184-4

• Auf epilog.de am 8. Mai 2024 veröffentlicht

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