U-Bahn in Berlin

Vorschläge für die äußere Gestaltung der geplanten Schwebebahn in Berlin

Deutsche Bauzeitung • 17.10.1906

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.
Flachträger mit Mittelstütze von Sepp KaiserAbb. 1. Flachträger für rund 15 m Stützweite mit Mittelstütze von Sepp Kaiser.

Vor mehr als Jahresfrist hat die Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Nürnberg der Stadtgemeinde Berlin und den Aufsichtsbehörden einen neuen Entwurf für eine nordsüdlich quer durch Berlin vom Gesundbrunnen über den Alexanderplatz nach Rixdorf gerichteten Schwebebahn vorgelegt und um Genehmigung für Ausführung und Betrieb nachgesucht. Eine grundsätzliche Entscheidung ist in dieser Sache bis heute noch nicht gefällt.

Abgesehen von der wichtigen Frage der Betriebs-Sicherheit, -Schnelligkeit und -Leistungsfähigkeit, bezüglich deren die nun schon seit Jahren in Betrieb stehende  Schwebebahn in Barmen-Elberfeld ja den besten und sichersten Aufschluss bietet, handelt es sich vor allem um die Frage der Wirkung der Schwebebahnanlage im Straßenbild. Eine Ausführung nach dem Vorbild der über die Wupper in Barmen geführten Strecke mit den wenig ästhetisch wirkenden gespreizten Stützen konnte natürlich für Berlin nicht infrage kommen. Die Gesellschaft hat auf diese Ausführungsweise auch von vornherein verzichtet und schon bei der Einreichung ihres Konzessions-Gesuches anderweite Vorschläge gemacht. Die städt. Verkehrsdeputation hat ihrerseits die ziemlich weitgehende Anforderung der Herstellung einer Probestrecke in natürlicher Größe gestellt. Über Ort, Umfang und Ausführungsweise dieser Probestrecke ist eine Einigung bisher nicht erzielt worden¹.

¹) Kurz nach dem Erscheinen dieses Artikels wurde eine Probestrecke in der Brunnenstraße errichtet.

Fachwerkträger mit Mittelstütze von Bruno JautschusAbb. 2. Vierwandiger Fachwerkträger für rund 30 m Stützweite mit Mittelstütze von Bruno Jautschus.

Zur Förderung der Angelegenheit hat nun die Gesellschaft sich vor einiger Zeit an vier Berliner Architekten mit der Aufforderung gewendet, Entwürfe für die architektonische Ausgestaltung der verschiedenen in Betracht kommenden Systeme der Konstruktion und Stützung des Tragwerks des Bahnkörpers aufzustellen und hat außerdem das rein konstruktive Gerüst dieser Systeme in großen Modellen, im Maßstab 1 : 20, herstellen lassen, die zusammen mit den Entwürfen der Architekten und einem Vergleichsmodell der Schwebebahn-Ausführung in Barmen Elberfeld kürzlich im Rathaus zu Berlin öffentlich ausgestellt waren und großes Interesse erregten. Diese Modelle bezogen sich auf eine Straße normaler Breite von 22 m, wie sie sich im südlichen Teile der Brunnenstraße zwischen Rosenthaler Tor und Invalidenstraße findet. Wir geben in den beifolgenden Abbildungen einige Beispiele der architektonischen Entwürfe wieder, die von Alfred Grenander, Bruno Möhring, Bruno Jautschus und Sepp Kaiser aufgestellt sind und die Aufgabe auf verschiedenen Wegen zu lösen suchen.

die-schwebebahn-in-berlinAbb. 3. Mittelstütze von Bruno Möhring.
Mittelstütze von Alfred GrenanderAbb. 5. Mittelstütze von Alfred Grenander.
Mittelstütze von Alfred GrenanderAbb. 6. Mittelstütze von Alfred Grenander.
Mittelstütze von Sepp KaiserAbb. 4. Mittelstütze von Sepp Kaiser.
Entwurf für Gabelstützen der Schwebebahn in BerlinAbb. 7. Gabelstütze von Bruno Möhring.
Gabelstützen von Alfred GrenanderAbb. 10. Gabelstütze von Alfred Grenander.

Für die Stützung der Schwebebahn kommen drei Ausführungsweisen in Betracht: in breiteren Straßen, die eine Teilung des Fahrdammes gestatten, ist die natürlichste Lösung die der Mittelstütze, die mittels seitlich auskragender Arme die Fahrbahnträger stützt. In schmalen Straßen, die eine Teilung des Fahrdammes nicht gestatten, muss dieser mit portalartig geformten Stützen überspannt werden, deren, im Querprofil der Straße etwa 50 cm breite Füße beiderseits hinter den Bordkanten auf den Bürgersteigen stehen. Bei sehr breiten Straßen mit Straßenbahngleisen kommt schließlich noch eine dritte Stützungsweise in Betracht, bei welcher die Mittelstütze sich im Fuß gabelförmig teilt, so dass der untere portalartige Teil die beiden Gleise der Straßenbahn überspannt.

Portalstützen von Alfred GrenanderAbb. 8.Portalstütze von Alfred Grenander.

Für den Überbau waren nach dem Vorbild von Barmen-Elberfeld zunächst nur Fachwerkträger in Aussicht genommen, und zwar entweder die seinerzeit dort erstmalig angewandten dreiwandigen Rieppelträger bzw. vierwandige Fachwerkträger bei einer Stützentfernung von etwa 30 m. Ein Erlass des preuß. Ministers der öffentlichen Arbeiten von diesem Frühjahr, wonach die Anwendung der Portalstützen auf einen möglichst geringen Umfang zu beschränken und stets besonders zu begründen sei, gab der Gesellschaft Veranlassung zu weiteren Studien über den Überbau. Sie führten zu einem neuen System des Hauptträgers, einem Flachträger, der noch bei Stützweiten von rund 15 m anwendbar ist und bei welchem in der senkrechten Ebene lediglich die Stege der etwa 80 cm hohen Schienenträger, die hier zum Hauptträger werden, in die Erscheinung treten. Entwurf für Bogenstützen der Schwebebahn in BerlinAbb. 9.Portalstütze von Bruno Möhring. Diese Konstruktion, die in Abb. 1 in Perspektive, in den Abb. 3 – 6 in verschiedener Durchbildung der Stützen dargestellt ist, kann wohl von allen Ausführungsformen als diejenige bezeichnet werden, welche am wenigsten störend im Straßenbild auftritt. Die Spannweite der Joche ist auch noch groß genug, um sie über Straßenkreuzungen hinwegzuführen. Durch die Verringerung der Stützweite wird außerdem der Vorteil erzielt, dass die Breite der Stützenfüße im Querprofil der Straßen, die bei den Fachwerkträgern von 30 m Spannweite etwa 110 cm betragen müsste, auf 80 cm herabgedrückt werden kann. In Abb. 2 ist ein 30 m weit gespannter Fachwerkträger im Straßenbild dargestellt; ein Vergleich mit Abb. 1 zeigt am deutlichsten die Vorteile der neuen Anordnung.

Auf die Abbildungen im Einzelnen einzugehen, erübrigt sich, sie sprechen für sich selbst. Die Entwürfe zeigen alle das Bestreben, nicht sowohl durch schmückendes Beiwerk, das auf größere Entfernungen doch nicht wirkt, als vielmehr durch die Linienführung, die gesamte Form zu wirken. Sie zeigen unseres Erachtens, dass sowohl mit dem Fachwerkträger wie namentlich mit dem Flachträger in Verbindung mit der Mittelstütze eine ästhetisch befriedigende Lösung möglich ist. Die Anwendung der Mittelstütze soll erfreulicherweise auf fast 90 % der ganzen Strecke durchführbar sein. Weniger befriedigend und übrigens auch vom Standpunkt des Verkehrs weniger günstig erscheint die Portalstütze, wobei wir der mehr eckigen Form den Vorzug vor der weichlicheren gleichmäßigen Rundung geben möchten. Am wenigsten befriedigt die Gabelstütze. Auf alle Fälle aber hat die Ausstellung der Modelle und Entwürfe in hohem Maß zur Klärung der Frage über die Wirkung der Schwebebahn im Straßenbild beigetragen, und zwar unseres Erachtens in einem für die Ausführung der Schwebebahn, in Bezug auf die gewählte Linienführung, günstigem Sinne.

– Fr. E.

Entnommen aus dem eBook:
1905 wurde in Berlin ein Verkehrsprojekt nach dem Vorbild der Wuppertaler Schwebebahn präsentiert. In diesem eBook werden diese Bahn und die geplante Streckenführung sowie die Entwürfe namhafter Architekten für die künstlerische Gestaltung detailliert vorgestellt.
eBook € 1,99 | eISBN: 978-3-7504-1790-8

• Auf epilog.de am 7. Mai 2023 veröffentlicht

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