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Solignacs elektrisches Vordergestell

Allgemeine Automobil-Zeitung • 8.4.1900

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
Solignacs eletrisches Vordergestell

Wie es scheint, findet bei den Elektromobilen das remorquirende [schleppende] Vordergestell immer mehr Anklang. Wir haben in der Allgemeinen Automobil-Zeitung eine kurze Besprechung des  Heilmann’schen Drehgestelles (Bogie Heilmann) gebracht, das eigentlich ein vierräderiger, elektrischer Remorqueur ist, und das patentierte  Motor-Vorspannrad von Walters in New York, das jedoch von einem Benzinmotor betrieben wird, beschrieben.

Ein ähnliches Vehikel ist der elektrische Vorspannwagen Solignacs. Der Avanttrain, der vor kurzem der ›Société des Voitures Electrques‹ in Paris vorgeführt wurde, zeichnet sich durch einige interessante Einzelheiten aus; er kann mit jedem Vehikel verbunden werden, indem er in denselben Öffnungen, die für den Achsschemel der Vorderräder bestimmt sind, befestigt wird. Der Besitzer eines einzigen Wagens kann also bald mit einem Pferde, bald mit elektrischem Vorspann fahren.

Wie aus der Abbildung zu entnehmen, besteht das Drehgestell aus einem in drei Abteilungen gegliederten Rahmen, von welchen die mittlere die Akkumulatoren ausnimmt, während die beiden seitlichen die Räder und Elektromotoren sowie zwei elektrische Bovit-Bremsen umschließen. Solignacs eletrisches Vordergestell Die Motoren haben Serienschaltung, jeder treibt für sich ein Rad, und sie sind voneinander unabhängig aufgehängt. Der Rahmen und seine Bestandteile stehen mittels Wagenfedern mit einem eisernen Stativ in Verbindung, auf dem sich eine Kugellaufbahn von weitem Durchmesser befindet. Eine ähnliche Kugellaufbahn ist am Boden des Wagens verbolzt und nimmt die Kugeln des Zapfenlagers auf. Auf dieser Eisenplatte ist das Handrad für die Steuerung befestigt, das die Lenkung des Drehgestelles besorgt. Beim geringsten Druck auf die Steuerung beginnen sich die Räder zu drehen. Trotz des relativ großen Gewichtes des Vordergestelles (bei 850 kg, inkl. 500 kg der Akkumulatoren) können sich dieselben ganz leicht nach allen Seiten bewegen.

Eine andere Eigenthümlichkeit des Vordergestelles ist die, dass es keinen speziellen Geschwindigkeitsregulator besitzt. Die Geschwindigkeitsänderungen werden dadurch erreicht, dass der von den Motoren gelieferte Strom ein oder ausgeschaltet wird. Durch eine Reihe von Impulsen wird das Vehikel weitergetrieben und eine mittlere Geschwindigkeit erzielt. Bei Stromzufuhr in kurzen Intervallen oder für längere Dauer nimmt die Geschwindigkeit zu, im entgegengesetzten Falle ab. Im Allgemeinen ist der Lauf etwa der, wie ihn geübte Wagenführer bei Motorwagen an frequenten Passagen einhalten. Der Wagen bewegt sich vorwärts, ohne die Insassen irgendwie zu belästigen.

Konzentrisch mit dem Steuerrad und etwas unterhalb desselben ist ein zweites angebracht, das für die Bremsung und Stromzufuhr gehört. Wenn der Führer beide Räder fest mit der Hand anfasst, nähern sie sich einander und schicken einen Strom in den Motor. Lässt er etwas nach, so geht das untere Rad wieder zurück und der Strom ist unterbrochen.

Alle Bestandteile des Apparats befinden sich unter dem Lenksitz.

Dank der tiefen Lage der Akkumulatoren und infolgedessen auch des Schwerpunktes ist dem ganzen Wagen eine große Stabilität gesichert. Die Akkumulatoren sind mittels Federn im Rahmen aufgehängt und ruhen auf einer doppelten Unterlage, die ihrerseits von zwanzig Kautschukkugeln, die jeden Stoß abschwächen, getragen wird.

• Auf epilog.de am 23. April 2021 veröffentlicht

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