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Ein neues Motor-Vorspannrad

Allgemeine Automobil-Zeitung • 4.2.1900

Eines der jüngsten und originellsten Erzeugnisse der Automobil-Industrie ist ein Motorrad, auf das Mr. J. W. Walters in New York ein Patent nahm. Die eine Figur zeigt das Rad, den Motor, sowie das Schwungrad und Steuerungsgetriebe, und zwar losgelöst vom Fahrzeug, während die andere Figur den Wagen samt Motorrad darstellt. Das Motorrad gleicht einigermaßen einer Dampflokomotive, denn es ist ein Ganzes für sich und wenn es auch nicht allein laufen kann und einen kleinen Teil der zu ziehenden Last auch trägt, so spielt es doch im Verhältnis zu dem mit ihm verbundenen Vehikel die Rolle einer Lokomotive.

Motor-Vorspannrad

Das Motorrad besteht im Wesentlichen aus einem schweren Rad, das in ein massives Achslager oder Gabelgestell eingelagert ist. Die Vorrichtung gleicht der des Vorderrads und der Gabel eines Fahrrads, nur dass das Rad anstelle des Lenkers durch ein Handrad, Welle und Triebräder gelenkt wird. Am rechtsseitigen Gabelbogen befindet sich ein zweizylindriger Gasolin-Motor, der andere Gabelast trägt zwei Gasolin-Behälter. Das Rad wird durch ein locker montiertes Zahnrad bewegt, das in ein an den Radspeichen verbolztes Getriebe und eine Sperrvorrichtung eingreift, die vom Wagenlenker durch einen Hebel bedient wird. Die beiden Zylinder liegen horizontal, auf jeder Gabelseite einer, zwischen beiden ist auf der Kurbelwelle ein Schwungrad verkeilt.

Das Motorrad wird in verschiedenen Größen gebaut, einpferdig für Bicycles bis zu vier Pferdekräften für Wagen, und bis zu 10 und mehr Pferdekräften für schwere Lastfuhrwerke. Um das Motorrad mit einem bereits vorhandenen Wagen zu verkoppeln, braucht man nur das Rahmenwerk der Vorderräder zu entfernen und die Steuerungsmuffe mit dem Wagenkasten zu verbolzen, wie in der Figur zu sehen. Bei einem leichten Vehikel wird das Motorrad an der Front angebracht, so dass also ein Tricycle entsteht. Bei schwereren Wagen (Cabs, Hansoms) wird es rückwärts verkoppelt. Bei schwereren Transportwagen, Kohlenwagen etc. werden noch zwei Laufräder mit dem Motorrad verbunden, die gemeinsam mit diesem funktionieren.

Als wesentlicher Vorteil dieses Systems wird hervorgehoben, dass eine Reversiervorrichtung überflüssig ist. Der Motor läuft stets nur nach vorwärts, will man also rückwärtsfahren, so dreht man das Motorrad in der Steuerungsmuffe gänzlich herum und lässt den Motor wieder angehen.

Da das Motorrad für sich ein abgeschlossenes Ganzes bildet und mit dem Wagen nur an einem Punkte in Verbindung steht, wird die durch das unregelmäßige Terrain bedingte Störung im Motorgang bedeutend reduziert. Wird der Wagen oder der Motor fahruntüchtig, so kann bei der leichten Auswechselbarkeit des Motorrades die Reparatur leicht und rasch erfolgen.

• Auf epilog.de am 11. September 2017 veröffentlicht

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