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Ein Dampfwagen mit eigener Eisenbahn

Die Gartenlaube • 1858

Man hat bereits zu verschiedenen Malen Versuche gemacht, Dampfwagen oder Zugmaschinen zu bauen, die auf gewöhnlichen Straßen, ohne Eisenbahnen, angewendet werden könnten. Es sind wirklich mehrere sehr sinnreiche Maschinen dieser Art konstruiert worden, die als solche von Fachmännern bewundert wurden, aber aus verschiedenen Gründen nicht zur wirklichen Anwendung kamen, weil ihnen eben ein gewisses Etwas noch fehlte. In den Straßen New Yorks fuhr z. B. öfters eine solche Maschine, aber auch sie entsprach nicht allen Anforderungen.

Dampfwagen mit eigener Eisenbahn

Jetzt scheint der Engländer Francis Hamilton die Aufgabe vollständig gelöst zu haben. Seine ›Zugmaschine‹, welche unsere Abbildung zeigt, kann eine Last von vierhundert Zentnern auf einem leidlichen Weg, der nicht mehr als 1 : 17 steigt, binnen einer Stunde über eine halbe Meile weit fortschleppen.

Die Eigentümlichkeiten an dieser Maschine sind das Steuerrad vorn, durch welches ihr beliebig jede Richtung gegeben werden kann, die kleinen Vorder- und die großen Hinterräder mit sogenannten Schuhen, die sich unter die Räder auf den Boden legen und sonach eine bewegliche Eisenbahn bilden, welche die Maschine mit sich führt. Diese Schuhe sind kleiner oder größer, je nachdem der Boden, auf welchem die Maschine laufen soll, hart oder weich ist. Sie sind so eingerichtet und angebracht, dass bei der Umdrehung des Rades ein Schuh immer liegt und ein anderer stets bereit ist, die Stelle des ersteren einzunehmen, sobald der letztere rückwärts hinweggezogen wird. Der Mechanismus dabei ist so ziemlich dem des menschlichen Beins in Bezug auf die Gelenke entlehnt. Wie das Bein, das fortschreiten soll, vom Kniegelenk an sich bewegt, mit Zehen, Ferse und Knöchelgelenk, so bewegen sich die einzelnen Schuhe an den Rädern dieser sinnreichen Maschine, deren Nutzen und Vorteile nicht bestritten werden werden.

Eine einzige solche Maschine wird so viel leisten als ungefähr 40 Pferde und auf einer gewöhnlichen Chaussee eine Last von 400 Zentnern – auf mehrere Wagen verteilt – eine halbe Meile weit für etwa zwei und einen halben Neugroschen befördern, vorausgesetzt, dass die Kohlen da so billig sind, wie z. B. in England. Vorzugsweise nutzbar dürfte sie freilich in ebenen Gegenden sein, in denen es noch keine Straßen gibt, und für solche ist sie zunächst auch berechnet. Auch hat die russische Regierung, die ihre Augen bekanntlich überall hat, bereits mehrere dieser Zugmaschinen gekauft, um sie in den russischen Steppen zu verwenden. Eben so steht der Erfinder mit einigen südamerikanischen Staaten in Unterhandlung, denn auch diese haben erkannt, wie wichtig solche eigentümliche Dampfwagen, die ihre Eisenbahn bei sich führen, z. B. in den Pampas sein würden. Sie werden da die Anlegung von Eisenbahnen unnötig machen und doch der Gegend den Vorteil derselben gewähren. Dasselbe gilt von dem westlichen Teile der Vereinigten Staaten, in denen die Anlegung von Eisenbahnen des geringen Verkehrs wegen bedenklich ist, die Beförderung der Waren usw. aber auf den gewöhnlichen Ochsenwagen dem wachsenden Bedürfnis nicht entspricht. Aber auch in unserer Nähe dürften sich Gegenden finden, in denen diese neue Zugmaschine mit großem Vorteile die noch mangelnden Eisenbahnen vertreten würde, z. B. in Ungarn, in den Donaufürstentümern usw., überhaupt in dünn bevölkerten Strichen, wo Eisenbahnen noch nicht rentieren, raschere und wohlfeilere Transportmittel aber notwendig und wünschenswert sind.

• Auf epilog.de am 23. Mai 2024 veröffentlicht

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