VerkehrFernmeldewesen

Kabel-Schädigungen durch Insektenfraß

Prometheus • 3.3.1897

Scherzweise spricht man wohl auch bei Metallen von Wurmfraß, aber im Ernst hält man doch die Insekten, und zwar auch die meist­verru­fenen der Tropengegenden, für ganz ohnmächtig, den unter Benutzung von Metallen ausgeführten Anlagen moderner Technik gefährlich zu werden. Denn einerseits bieten ihnen die Metalle keine Nahrung und andererseits sind diese ja meist zu hart, als dass Insekten mittels ihrer aus Chitin bestehenden Angriffsorgane ihre Schädi­gungs­lust daran zu befriedigen vermöchten. Dass jedoch die Vorkehrungen zu ihrer Abwehr auch bei hauptsächlich nur aus Metall bestehenden Anlagen kaum sorgfältig und umfassend genug getroffen werden können, lehrt ein Fall in Tonkin [Gebiet im heutigen nördlichen Vietnam.], von dem in Comptes rendus berichtet wird. Allerdings haben sich auch dabei die Termiten nicht am Metall selbst vergriffen, aber durch Aufzehrung des Isolierungs­materials das elektrische Leitungskabel in verhältnismäßig kurzer Zeit untauglich gemacht. Im Juli 1894 war das Kabel erst gelegt und schon in den ersten Tagen des Jahres 1895 zeigte es Stromverluste, welche sich in der Folgezeit so steigerten, dass eine Auswechselung in der ersten Hälfte des laufenden Jahres nötig wurde. Und doch kann man nicht erkennen, dass an Vorsichtsmaßregeln etwas Wesentliches versäumt worden wäre, oder dass die Verhältnisse der Umgebung den Insekten besonders günstig gelegen hätten.

Das Kabel enthielt drei Leitungen, von denen jede aus sieben Kupferdrähten bestand und von miteinander abwechselnden Lagen von  Gutta­percha und ›Chatterton‹ umschlossen wurde; letztgenannte Substanz ist ein Gemisch von Goudron (d. i. Asphalt-Paraffinöl-Mischung) mit Harz und Gutta­percha. Diese drei Leitungen waren mit drei tanninhaltigen, die Zwischenräume füllenden Litzen verflochten, und ein Polster von tannin­haltiger Jute umwand in Spiralen das ganze Kabel, zusammengehalten durch zwei ebenfalls tannisierte Baum­wollen­bänder, welche in zueinander gegenläufigem Sinn herumgewunden waren; ferner war das Kabel von einer Bleiröhre umgeben und lag, fast seiner ganzen Länge nach in Zement eingebettet, in dem nur wenig den Meeresspiegel überragenden, schlammigen, stets feuchten und etwas salzhaltigen Boden der Stadt Haiphong. Letzterer Umstand ließ, bei Annahme einer Zerstörung durch Organismen, eher an marine Tiere denken als an Landinsekten. Und doch haben, wie Bouvier nach Untersuchung ihm übersandter Kabelstücke berichtet, Termiten das Kunststück fertiggebracht. Ob dieselben, um in das Innere des Kabels zu gelangen, erst die Bleiröhre durchbohrt haben, ist allerdings fraglich; Bouvier erklärt sie, wie gewisse andere Insekten auch, für hierzu wohl fähig, schließt sich jedoch der Meinung des Postdirektors von Tonkin an, dass die von der Bleiröhre befreiten Enden oder zufällige Verletzungen jener die Eintrittswege geboten haben, welche die Termiten benutzten, um zunächst innerhalb der Jute- und Baumwollen-Hülle des Kabels vorzudringen; von da aus verzehrten sie die Litzen und sogar die Gutta­percha-Überzüge und verschmähten nur die nackten Metalle Kupfer und Blei. Ihre Bohrgänge, zum Teil von ihren Exkrementen erfüllt, hatten 2 – 3 mm Durchmesser und in zwei derselben wurden noch die Köpfe von Termiten gefunden.

• Auf epilog.de am 1. November 2025 veröffentlicht

Reklame