Verkehr – Fernmeldewesen
Drahtlose Fortschritte während des Krieges
Von Hans Dominik
Die Woche • 26.4.1919
Die deutsche Telefunkengesellschaft hatte kürzlich eine kleine Ausstellung veranstaltet, in welcher einem geladenen Publikum die Fortschritte der drahtlosen Telegrafie während der letzten fünf Jahre gezeigt wurden. Die Ausstellung bot vielerlei, aber das aller Verblüffendste war doch die Aufnahme amerikanischer Depeschen mittels einer kleinen, im Zimmer selbst befindlichen Antenne.

Unsere Abb. 1 zeigt solchen Empfang. Wir sehen rechts auf dem Bild einen kleinen Empfangsrahmen, der nur etwa einen Meter Durchmesser hat und dennoch genügt, um über mehrere Tausend Kilometer sicher zu empfangen. Wenn wir uns erinnern, dass vor dem Krieg auch für den Empfang Antennen notwendig waren, die an eisernen Türmen bis zur doppelten Höhe des Kölner Domes geführt wurden, so muss diese Neuerung verblüffend wirken. Um sie wenigstens einigermaßen zu erklären, ist es notwendig, ein wenig auf die Energiefrage überhaupt einzugehen.
Schon seit einer geraumen Reihe von Jahren ist man ja in der drahtlosen Telegrafie zum Hörempfang mittels des Telefonhörers übergegangen, weil das Telefon für Wechselströme der empfindlichste Anzeigeapparat ist. Ein gut eingestelltes Telefon gibt noch auf eine Energiemenge von 10⁻¹⁰ Watt, d. h. auf den zehnmilliardsten Teil eines Watts, ein hörbares Signal. Diese Energiemenge ist nun sehr gering, und die Reichweiten der drahtlosen Stationen stiegen nach der Einführung des Telefons als Empfänger ganz gewaltig. Nun aber setzte kurz vor dem Krieg die Technik der Verstärkerröhren ein. Unsere Abb. 2 zeigt eine Ausstellung von verschiedenen derartigen Röhren, und man erkennt wohl, dass diese Röhren in einem absolut luftleer gepumpten Glasgefäß verschiedene koaxiale Metallzylinder enthalten, von denen getrennte Zuleitungen durch das Glas hindurch zu den äußeren Polen der Röhre führen.

In der Mitte einer solchen Verstärkerröhre befindet sich nun ein Glühfaden, der durch einen Batteriestrom bis zu guter Weißglut erhitzt wird. Diese Erhitzung hat nach der modernen Anschauung zur Folge, dass die kleinsten Teilchen der Elektrizität, die sog. Elektronen, in den Metallmolekülen, mit denen sie im kalten Zustand ziemlich fest verbunden sind, gelockert werden, so dass sie an Beweglichkeit gewinnen und schon auf geringe Anstöße hin aus dem Metall herausfliegen. Weiter ist nun eine andere Batterie von 100 V Spannung mit ihrem negativen Pol an diesen Glühdraht und mit ihrem positiven Pol an den äußersten Metallzylinder, das sogenannte Anodenblech, gelegt. Bei dieser Anordnung allein würde die negative Elektrizität der 100 V-Batterie die gelockerten Elektroden des Glühfadens in ständigem Strom durch den luftleeren Raum der Röhre zum Anodenblech hintreiben. Deshalb liegt zwischen dem Glühfaden und diesem äußeren Blechzylinder ein gitterartig durchbrochenes Blech, das sogenannte Gitter, welches ebenfalls mit dem negativen Pol einer Stromquelle verbunden ist. Dadurch wird dem Wegfliegen der Elektronen ein gewisser Damm entgegengesetzt. Es besteht jetzt beinahe ein Gleichgewicht, d. h., die Elektronen bleiben in der Hauptsache noch im glühenden Draht, gehen aber los, sobald der geringste Anstoß von außen hinzukommt. Dieser Anstoß aber wird nun durch das schwache, von außen kommende drahtlose Signal gegeben. In einem kleinen Spezialtransformator wird es etwa im Verhältnis 1 : 50 000 der Spannung nach in die Höhe transformiert und an Glühdraht und Gitter gelegt. Nun mag das ankommende Signal nur eine Spannung von einem hunderttausendstel Volt haben. Durch die Transformation wird diese Spannung auf ein halbes Volt erhöht, während die Stromstärke entsprechend fällt und praktisch gleich Null wird. Das ist aber auch egal, denn die Spannung ist in der Röhre das Wirksame. Sie stößt nun die Elektronen an und verursacht ein Überfluten der Elektrizität aus der 100 V-Batterie durch den Glühdraht zur Anode im Rhythmus der ankommenden Signalschwingungen. Man hat diese Röhre daher wohl auch als Elektronenrelais bezeichnet.

Die einzelne Röhre verstärkt die Signalenergie etwa auf das acht- bis zehnfache. Wohlgemerkt handelt es sich hier nicht um eine Transformation, bei der die Energie letzten Endes gleich bleibt, sondern um eine wirkliche Verstärkung, zu welcher die Energie der 100 V-Batterie entnommen wird. Weiter aber ist es nun möglich, mehrere solcher Röhren zu einer Kaskade zusammenzuzuschalten. So sehen wir auf dem linken Empfangstisch in Abb. 1 eine fünfröhrige Kaskade stehen. Die Schaltung ist hier kaskadenartig, d. h., die Verstärkungen der einzelnen Röhren potenzieren sich. Wenn also die erste Röhre verzehnfacht, so verhundertfachen die ersten beiden Röhren, vertausendfachen die ersten drei Röhren, gibt es bei der vierten Röhre eine Verzehntausendfachung und bei der fünften Röhre eine Verhunderttausendfachung der in der Antenne aufgefangenen Energie. Nun wurde eingangs gesagt, dass ein Telefon noch auf 10⁻¹⁰ Watt hörbare Signale gibt. Das Telefon wird nun an den Ausgangstransformator der Kaskade angeschlossen, während der Eingangstransformator an der Antenne liegt. Es genügt also, wenn 10⁻¹⁰ Watt aus der Kaskade herauskommen, und da die Signalenergie in der Kaskade eine Verhunderttausendfachung erfährt, so braucht nur eine Signalenergie von 10⁻¹⁵, d. h. von einem tausendbillionstel Watt, von der Antenne aufgefangen und in die Kaskade geliefert zu werden. Das ist der enorme Fortschritt der drahtlosen Empfangsstation durch die Verstärkerröhren.
Theoretisch könnte man nun diese Verstärkung ja unbegrenzt fortsetzen. Praktisch ist aber durch die sogenannte Rückkoppelung eine Grenze gegeben. Schon bei einer hunderttausendfachen Verstärkung wird die Sache kritisch, denn das Telefon sendet ja seinerseits auch Spuren von schwingender elektrischer Energie in den Raum, die sich nun wieder in der Antenne fangen und verhunderttausendfacht am anderen. Ende herauskommen. Dagegen ist dies Prinzip der Rückkupplung nun für Senderzwecke nutzbringend ausgestaltet worden. Man hat, wie Abb. 2 auch zeigt, außer den Verstärkerröhren auch Senderröhren gebaut, die einfache Batterieenergie aufnehmen und nach dem Prinzip der Rückkupplung in schwingende Energie umwandeln. Während die Verstärkerröhren immer nur mit Millionsteln eines Watt arbeiten, haben sich die Senderröhren zu ganz kräftigen und klotzigen Dingern ausgewachsen, von denen die einzelne bis zu 500 Watt in Form von hochfrequenter Elektrizität auszusenden vermag. Für die kleinen Feldstationen war man daher während der letzten Zeit des Krieges schon in der angenehmen Lage, solche Senderröhren zu benutzen, und konnte sich die ganze, sonst für die Erzeugung von Hochfrequenz nötige Anlage sparen. Wenn auch nach dem Krieg der Bedarf an solchen kleinen drahtlosen Stationen gewaltig nachgelassen hat, so wird die Technik hier doch nicht ruhen, sondern die Senderröhren werden voraussichtlich intensiv weiter ausgebildet werden.
Bis es freilich einmal möglich sein wird, tausendpferdige Großstationen mit Hilfe von Senderröhren zu betreiben, dürfte noch manches Wasser die Spree hinabfließen. Einstweilen herrscht hier noch unbedingt die Maschine, wie es Abb. 3 erkennen lässt. Sie zeigt unter anderem ein genaues Modell der Großstation in Nauen. Wir erkennen die großen Dynamomaschinen, welche die elektrische Energie in mittelfrequenter Form liefern, und sehen weiter die mächtigen Leidener Flaschen und Transformatoren, mit deren Hilfe diese Energie auf schnelle Schwingungen von etwa einer halben bis einer ganzen Million Perioden pro Sekunde und eine Spannung von rund 100 000 V gebracht wird. Bei Kriegsbeginn hatte die Nauener Station etwa 250 PS und einen Hauptmast von 260 m Höhe. Gegenwärtig verfügt sie über 1000 PS, zwei Hauptmasten sowie zahlreiche Mittelmasten und ist nicht mehr in einem Schuppen, sondern in einem schlossartigen Gebäude untergebracht. Das ist der Fortschritt der Großstationen, welche berufen sind, in friedlichen Zeiten wieder den Weltverkehr zu pflegen.