VerkehrFernmeldewesen

Neue Erfindungen und Kulturfortschritte

Der Bruder des Telegrafen

Von Max Wirth

Über Land und Meer • Dezember 1877

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Am 19. November 1877 war der ganze Generalstab der Neuen freien Presse in den Redaktionssälen versammelt, um Zeuge von Experimenten zu sein, die wieder eine jener epochemachenden Erfindungen vorführten, durch welche die Kulturgeschichte neue Perioden der Entwicklung sinniger und beglückender zu bezeichnen pflegt, als große Schlachten mit ihren Strömen von Blut und Tränen. Das Telefon, der neue, den Schall in die Ferne versendende Apparat, sollte von einem hervorragenden Techniker in seiner Wirkung gezeigt werden vor einer Gesellschaft von ungefähr 40 Schriftstellern, unter denen mehr als ein ungläubiger Thomas sich befand. Dies war nicht zu verwundern, denn die staunenerregenden Berichte, welche seit dem vorigen Frühjahr durch amerikanische Zeitungen nach Europa gekommen waren, hatten solche Übertreibungen enthalten, dass man der ganzen Kunde kein rechtes Vertrauen schenkte und von derselben keine weitere Notiz genommen hatte. Nicht bloß einzelne Worte und Sätze, sondern ganze Reden und Musikstücke sollten auf 30 bis 40 englische Meilen weit einer versammelten Gesellschaft zu Gehör gebracht worden sein! Diese Angaben beruhten zum Teil auf Übertreibungen, zum Teil auf unrichtigen Erklärungen. Das von dem Professor der Physik Graham Bell in Boston, einem geborenen Schotten, konstruierte Instrument ist indessen bereits vollkommen genug, um jede Marktschreierei entbehrlich zu machen. Fest steht, dass man damit auf größere Entfernungen als durch pneumatische Sprachrohre oder irgendein anderes Kommunikationsmittel das gesprochene Wort, den Gesang und ganze Musikstücke vermittelst des telegrafischen Leitungsdrahtes versenden kann, und dass, so weit die bisherigen gelungenen Versuche reichen, bis auf eine Entfernung von ungefähr 60 – 80 km noch deutlich vernehmbare mündliche Mitteilungen damit gemacht werden können.

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• Auf epilog.de am 28. Oktober 2025 veröffentlicht

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