VerkehrLuftfahrt

Der persönliche Kunstflug

Plauderei von Hans Dominik

Die Woche • 1.9.1906

Voraussichtliche Lesezeit rund 9 Minuten.

Das Streben der Menschen, sich in die Lüfte zu erheben ist uralt und findet seinen Ausdruck in mehr als einer Volkssage. Dädalus und Ikarus in der griechischen Sage und der kunstreiche Schmied Mime im deutschen Mythos sind die ersten Vertreter menschlichen Fluges. Aber das Sehnen der Menschheit, sich von den Banden der Schwerkraft frei zu machen, blieb unerfüllt bis in die letzten Jahre. Die Erfindung des Luftballons blieb nur ein Surrogat. Sie unterscheidet sich vom selbstständigen Kunst- und Segelflug, den unsere Möwen und Albatrosse ausüben, wie etwa eine Fahrt auf einem treibenden Floß von der selbstständigen Bewegung eines geschickten Schwimmers absticht.

Zu allen Zeiten und in allen Jahrhunderten sind dann Erfinder aufgestanden, die irgendeinen mehr oder weniger – meist aber weniger – zweckmäßigen Apparat konstruierten und damit einen Flug versuchten. Stets ging die Sache schief und die Erfinder von Flugmaschinen wurden nachgerade mit denen des Perpetuum mobile in eine Reihe gestellt.

Die neue Ära auf dem Gebiet der Flugmaschine beginnt Anfang der 1890er-Jahre mit dem Auftreten des deutschen Ingenieurs Lilienthal. Lilienthal folgerte ungefähr folgendermaßen: Wenn ich heute irgendeinen des Schlittschuhlaufens Unkundigen mit den allerschönsten Schlittschuhen auf die Eisbahn schicke, so wird er bei seinen ersten Versuchen unter allen Umständen jämmerlich auf die Nase fallen. Das liegt aber nicht an den Schlittschuhen, sondern vielmehr daran, dass der Mann ungeübt ist, dass ihm noch jenes feine Gefühl für den Schwerpunkt fehlt, das der geübte Schlittschuhläufer besitzt und das das Muskelsystem zu fortwährenden unwillkürlichen Korrekturen veranlasst, so dass schließlich die schönsten Bogen und Schleifen mit Sicherheit gezogen werden. Genau die gleichen Verhältnisse herrschen auch auf dem Gebiet des Segelfluges. Wir sehen alljährlich, wie die jungen Störche, die doch gewiss erbliche Veranlagung für den Flug besitzen, wochenlang üben müssen, bevor sie einigermaßen fliegen können. Infolgedessen muss es auch für Menschen heißen: üben, üben und wiederum üben! Ob der Flugapparat dabei von Anfang an mehr oder weniger zweckmäßig ist, ist ziemlich gleichgültig, denn bekanntlich kann man auch in Ermangelung von Stahlschlittschuhen auf geschliffenen Pferdeknochen Schlittschuh laufen lernen.

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Der Ingenieur, Journalist und Schriftsteller Hans Dominik (1872 – 1945) gehört zu den erfolgreichsten Science-Fiction-Autoren Deutschlands. Neben zahlreichen Romanen und Kurzgeschichten verfasste er vor allem auch populärwissenschaftliche Beiträge für Zeitschriften und Jahrbücher. Für dieses Buch wurden seine verkehrstechnischen Plaudereien und Betrachtungen zusammengetragen und vermitteln dem Leser einen unverfälschten Blick auf die Verkehrsgeschichte des jungen 20. Jahrhunderts.
  PDF-Leseprobe € 12,90 | 92 Seiten | ISBN: 978-3-7534-7686-5

• Auf epilog.de am 29. März 2024 veröffentlicht

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