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Eine nächtliche Luftschifffahrt in Dresden

Daheim • 26.7.1884

Eine nächtliche Luftschiffahrt in Dresden

Vom Feldschlösschengarten, dem ›Luftballon-Eldorado‹ der Dresdner, aus stieg am 30. Juni 1884 abermals eines der ›Vehikel der Zukunft‹ auf. Diesmal unterschied es sich schon in seiner äußeren Form wesentlich von den Luftschiffen, in welchen Godard, Securius u. a. von hier in die höheren Regionen stiegen. Von Nachmittag drei Uhr ab begann die Füllung des 850 m³ Gas haltenden ›Komet‹, welcher, aus gefirnisstem Seidenstoff bestehend, sich bald stattlich unter dem ihn umhüllenden Tau- und Netzwerk zu blähen begann. Fünfzehn Soldaten sorgten unter Anleitung des Luftschiffers G. Rodeck durch Anziehen des Netzes und Einhaken der Sandsäcke für eine möglichst gleichmäßige Verteilung des durch ein umsangreiches Rohr in die Mitte des Ballons einströmenden ›hebenden‹ Elements, bis das Füllungsexperiment beendet war und der ›Komet‹ in der Form eines gigantischen Zylinders sich den zahlreich erschienenen Zuschauern zeigte. Inzwischen war es Abend gegen halb zehn Uhr geworden und das Befestigen des Korbes an den Ballonreifen, an welche wieder die zahlreich herabhängenden Taue gebunden werden mussten, war, trotz vorgeschrittener Dunkelheit, schnell vonstattengegangen. Der Luftschiffer schwang sich in den Korb – ein kurzes Kommando: »los!« – und majestätisch stieg der ›Komet‹ empor, prächtig beleuchtet von den intensiv leuchtenden Strahlen des Mondes und begünstigt von ruhigem schönen Wetter.

In einer Höhe von 1840 m gelangte der Ballon infolge der nur äußerst schwach bewegten unteren Strömung zum vollständigen Stillstand, es gelang aber dem Luftschiffer, durch Ballastauswerfen eine günstigere Strömung in der Höhe von 2640 m, bei einer Temperatur von 2½° Kälte, zu erreichen. Der Ballon schlug einen nordöstlichen Kurs ein und landete schließlich nach nur einstündiger glücklicher Fahrt dicht neben einem Granitsteinbruche im Plauenschen Grunde, nahe bei dem Dorf Dölzschen.

• Paul Heydel

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte. Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 124 Seiten | ISBN: 978-3-7543-5702-6

• Auf epilog.de am 29. Juni 2022 veröffentlicht

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