Forschung & Technik – Technik
Die Gasautomaten
Das Neue Universum • 1898
In gewisser Hinsicht ist mit der Verteilung des Leuchtgases, des Wassers, der Elektrizität oder des Dampfes aus dem Leitungsnetz städtischer Zentralanstalten das Ideal des Güteraustausches erreicht. Man braucht nicht, wie bei anderen Waren, den Weg zum Kaufmann zu machen, sondern hat nur den betreffenden Hahn zu öffnen, um die gewünschte Menge von Leuchtstoff, Heizkraft oder dergleichen zur Verfügung zu haben. Als ein Mangel dieses Verkaufs- und Verteilungssystems, der besonders beim Gasverbrauch in kleineren Haushaltungen, z. B. in Arbeiterwohnungen, sich geltend macht, ist nur der Umstand empfunden worden, dass der unbeschränkte Gebrauch der Gasleitung die Gasanstalten nötigt, ihren Kunden auf eine gewisse Zeit unbeschränkten Kredit zu gewähren.
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Bei starkem Gasverbrauch kommt es hin und wieder zu Streitigkeiten, wenn die Anstalt auf Grund der von der in jedem Haus aufgestellten Gasuhr angegebenen Ziffer ihre Rechnung aufstellt; der Konsument weigert sich, zu bezahlen, und der Kontrolleur antwortet darauf, indem er die Leitung schließt.
Man hat, um diesen Übelständen vorzubeugen, anfangs in England, dann auch bei uns und in anderen Ländern eine neue Art von Gasuhren in Aufnahme gebracht, welche das Leuchtgas nur in bestimmten Mengen gegen Vorausbezahlung liefern und sich vortrefflich bewährt haben. Es sind dies die sogenannten Gasautomaten, deren Konstruktion die Verbindung eines gewöhnlichen Gasmessers mit der Einwurfvorrichtung der bekannten Verkaufsautomaten bedeutet. Man hat nur ein Zehnpfennigstück oder diejenige Münze, für welche der Gasautomat eingerichtet ist, in den Schlitz zu werfen und einen Hahn oder Hebel zu drehen, um das Gas zur Verfügung zu haben. Das eingeworfene Geldstück setzt dann die Messtrommel der Gasuhr in Bewegung und sperrt sie erst wieder ab, wenn die für das betreffende Geldstück verkäufliche Gasmenge verbraucht ist. Die Abb. 1 u. 2 geben die äußere Ansicht und den Mechanismus eines solchen Gasautomaten von Maldant und Dupoy wieder.
Das selbsttätige Zählwerk steht mit der Gasuhr an derjenigen Stelle in Verbindung, wo das Gas aus dem Hauptrohr in die Zähltrommel eintritt, d. i. die Kammer H J (s. Abb. 2), aus welcher die Öffnung K durch das Ventil S zur Trommel des Gasmessers führt. Für gewöhnlich ist diese Öffnung durch die Ventilscheibe P verschlossen. Um sie zu öffnen, steckt man ein Geldstück in den Schlitz oben am Apparat und dreht alsdann den Hebel M um 90°. Die Münze wird durch eine Führung im Inneren des Apparates so festgehalten, dass sich ihr Rand zwischen die Zähne des Rades A setzt. Da sie andererseits aber auch durch die innere Fortsetzung des Hebels M festgehalten wird, so folgt sie der Drehung desselben und bewegt dabei gleichzeitig das Rad um einen Zahn oder 1/10 seines Umfanges.
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Damit ist die innerhalb dieses Rades liegende Federtrommel teilweise aufgezogen, setzt die Spindel B in Bewegung und hebt das Verschlussventil P auf, so dass das Gas ungehinderten Zutritt zur Trommel findet. Ein Zählwerk geht mit der Rotation der letzteren Hand in Hand und setzt einen unter dem Geldeinwurf befindlichen Hebel in Bewegung, welcher die bei E sichtbare Zähltafel langsam mit einem schwarzen Schieber überdeckt. Gleichzeitig mit dem Verschwinden der Ziffern hat auch der für den Geldeinwurf zu liefernde Gasstrom sein Ende erreicht, eine Arretierungsvorrichtung setzt das Schraubenrad C in Bewegung und senkt die Klappe P wieder um so viel herab, dass der Gaszufluss abgesperrt ist.
Diese Apparate sind nicht allein in Arbeiterwohnungen, wofür man sie anfangs erfand, sondern auch in größeren Haushaltungen, in Geschäften, in Hotels für die Gasbeleuchtung und Heizung der Fremdenzimmer und für viele andere Zwecke von großer Wichtigkeit geworden, weshalb wir noch einen neueren Gasautomaten von anderer Konstruktion mit anführen (Abb. 3). Das Gas gelangt zur Zähltrommel des Hourschen Gasautomaten durch einen Hahn, dessen Griff die äußere Ansicht neben dem Geldeinwurf zeigt. Die eingeworfene Münze drückt einen Hebel L ein wenig zurück und hebt damit die Arretierung des Gashahns auf, der sich erst jetzt aus seiner geschlossenen Stellung in die geöffnete drehen lässt.
Abb. 3. Gasautomat von Hour. Gleichzeitig mit dieser Bewegung des Hahnes aber wird die Feder eines kleinen Uhrwerks aufgezogen, das aus den Rädern R R’ und dem Pendel H besteht. Solange dies Uhrwerk läuft, ist der Hahn geöffnet, gleichzeitig mit seinem Ablauf wird er geschlossen. Besonders sinnreich ist dabei die Vorrichtung, die es ermöglicht, das Uhrwerk je nach dem schnelleren oder langsameren Gasverbrauch ebenfalls schneller oder langsamer ablaufen zu lassen. Ohne diese Vorrichtung würde derjenige, der den Gashahn weit geöffnet hält und etwa die doppelte Anzahl Flammen anschließt, für sein Geld auch die doppelte Gasmenge erhalten. Um das zu verhindern, ist am Konus des Haupthahnes durch den Bügel S eine feine Kette befestigt, welche das lose auf seiner Stange sitzende Gewicht des Pendels um so höher zieht, je weiter der Hahn geöffnet ist. Das Uhrwerk läuft alsdann entsprechend schneller und der stärkere Gasverbrauch wird durch das raschere Ablaufen der Räder aufgewogen.
Einige Ziffern über die Ausdehnung des automatischen Gasverkaufs sprechen für die Wichtigkeit dieser kleinen Apparate. In Liverpool wurden in den letzten Jahren wöchentlich mehrere Hundert Automaten aufgestellt, und man musste eigene Fabriken zur Anfertigung der Apparate gründen, da die älteren Fabriken für Gasuhren nicht mehr genügten. Die Stadt Widnes konnte durch die Einführung des Gasautomaten binnen zwei Jahren die Zahl ihrer Gaskonsumenten verdreifachen. In London, wo beiläufig der dritte Teil der gesamten englischen Gasproduktion verbraucht wird, sind bis jetzt mindestens 150 000 Gasautomaten zur Aufstellung gekommen. Auch in Deutschland hat ihre Anwendung neuerdings einen großen Umfang gewonnen.