Berlin

Lichtträger für elektrische Straßen-Beleuchtung in Berlin

Zentralblatt der Bauverwaltung • 5.5.1888

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Infolge Beschlusses der Stadtgemeinde Berlin werden bekanntlich die Straße ›Unter den Linden‹, der Lustgarten und die Kaiser-Wilhelm-Straße bis zur Spandauer Straße demnächst elektrisch beleuchtet werden. Die neue Beleuchtungsanlage, deren Ausführung und Betrieb der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft übertragen ist, soll bis zum September 1888 fertiggestellt werden. Umgestaltungen der Straße Unter den Linden sind vorläufig nicht beabsichtigt, doch sind die Lichtträger des mittleren Baumganges so angeordnet, dass der Anlage von beiderseitigen Rasenstreifen nach dem vom Baurat Böckmann gemachten Vorschlag nichts im Wege stände. Zur Erlangung von Entwürfen für die Beleuchtungsträger wurde seitens des Magistrates im November 1887 eine beschränkte Wettbewerbung ausgeschrieben (siehe Kasten), Lichtträger für die elektrische Beleuchtung der Straße ›Unter den Linden‹
• 7.1.1888 •
Zur Gewinnung von Entwürfen zu Lichtträgern für die demnächst auszuführende Bogenlichtbeleuchtung der vorgenannten Straße wurde anfangs November 1887 seitens des Magistrats von Berlin eine engere Wettbewerbung ausgeschrieben. Es waren verschiedene Lösungen für die Lichtträger der beiderseitigen Bürgersteige einerseits und für den mittleren Baumgang der Straße andererseits zu finden; auf die Einzelheiten der Bedingungen einzugehen würde hier zu weit führen. Die Prüfung der Arbeiten hatte der Beurteilungsausschuss des Architektenvereins übernommen. Seine Entscheidung ist zu Gunsten der Entwürfe des Regierungs-Baumeisters L. Schupmann und des Architekten Bruno Schmitz in Berlin ausgefallen. In erster Linie wurden die Schupmannschen Pläne wegen ihrer reifen Durcharbeitung und vornehmen Einfachheit sowie wegen Innehaltung der vorgeschriebenen Kostensummen als geeignet für die Ausführung bezeichnet, und zwar für eine Durchführung auf längere Straßenstrecken, wie es der vorliegende Fall erheischte. Die in reichem Barock gehaltenen, von der Gestaltungskraft ihres Verfassers zeugenden, aber in einzelnen Teilen noch der Durcharbeitung bedürftigen Entwürfe des Architekten Schmitz wurden für kürzere Straßenstrecken oder Plätze, überhaupt für Stellen empfohlen, wo die Lichtträger in geringerer Zahl auftreten und wo, wie in der Kaiser-Wilhelm-Straße und in der Nähe des Königlichen Schlosses, ihre Formen zu denen der dort vorherrschenden Bauwerke passen. Für die ausgeworfenen Kostensummen werden dieselben freilich nicht herstellbar sein, und wohl namentlich aus diesem Grund werden zunächst nur die Schupmannschen Entwürfe zur Ausführung kommen.
infolge deren die Direktion der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Preisgericht die Entwürfe des Unterzeichneten zur Ausführung wählte und demselben deren endgültige Bearbeitung übertrug.

Für die vom Magistrat geforderte Höhenlage der Lichtquelle von 8 m über Straßenoberfläche erwies sich bei näherer Prüfung die übliche Bedienung der Lampen durch lange Leitern als wenig geeignet. Demzufolge wurde einer Anordnung der Lampen der Vorzug gegeben, welche ein bequemeres Herunterlassen derselben zum Einsetzen der Kohlenstäbe gestattet. Die Sockel der Lichtträger sind aus Gusseisen hergestellt, während die Schafte der Sicherheit halber aus schmiedeeisernen Rohren zusammengesetzt sind.

Die auf den beiderseitigen Bürgersteigen längs der Bordkante in Abständen von 41 m aufzustellenden Ständer sind in Abb. 1 zur Darstellung gebracht. Für den mittleren Baumgang sind auf Grund angestellter Versuche wegen der Schattenwirkung der Baumreihen die Bogenlampen in der Achse des Weges angebracht. Sie werden an einer Kette aufgehängt, welche zwei zu beiden Seiten des Baumganges sich gegenüberstehende Masten miteinander verbindet. Letztere zeigt Abb. 2, während Abb. 3 eine schaubildliche Darstellung des unteren Teils derselben gibt. Bei der oftmaligen Wiederholung der Beleuchtungsträger und dem beschränkten Preis (für die kleineren waren je 650 Mark, für die größeren je 1200 Mark ausgeworfen) war eine verhältnismäßig einfache Ausgestaltung derselben geboten. Der Unterzeichnete ist in dieser Erkenntnis bestrebt gewesen, sich den gegebenen Verhältnissen unterzuordnen. LichtträgerAbb. 1. (links) Lichtträger der Bürgersteige.
Abb. 1. (rechts) Lichtträger des mittleren Baumganges.
War doch ohnehin durch Rücksicht auf den Verkehr die Breiten-Entwicklung der Sockel in bestimmte knappe Grenzen gewiesen. Die Formen sind so gewählt, dass sie bei möglichst wechselreicher Umrisslinie dem Guss keine Schwierigkeiten bereiten. Unterschneidungen sind möglichst vermieden worden. Der verzierende Schmuck enthält an einzelnen Stellen Hinweise auf die Bestimmung der Ständer. So versinnbildlicht beispielsweise die sternengeschmückte Gurtung am kleinen Lichtträger die drei das Wesen des elektrischen Lichtes und seiner Erzeugung ausmachenden Begriffe: ›Kraft, Strom, Licht‹. An den Masten des Baumganges weisen die Motive der Krone und des Wappens auf die Bedeutung hin, die dieser Weg als geschichtliche Triumphstraße besitzt.

Die Modellierungsarbeiten sind der Firma Zeyer u. Drechsler, die Gussarbeiten den Werken Ilsenburg und Tangerhütte übertragen, während die nur vereinzelt auftretenden Schmiedearbeiten von Ed. Puls in Berlin angefertigt werden. Die Ausführung wurde unter reger Anteilnahme des Stadtbaurat Dr. Hobrecht als Bevollmächtigten des Magistrats gefördert. Unterteil der LichtträgerAbb. 3. Unterteil der Lichtträger des mittleren Baumganges ›Unter den Linden‹. Infolge der kurz bemessenen Frist musste die Feststellung der technischen Einzelheiten mit der Ausgestaltung der Formen gleichzeitig geschehen. Über erstere, die unter der umsichtigen Leitung der Direktoren der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Rathenau und v. Miller, vom Kgl. Regierungs-Baumeister Soeder entworfen und ausgearbeitet wurden, mögen noch einige Andeutungen folgen, da die Anordnung der Lampen manches Eigenartige besitzt: Um die letzteren gegen Windschwankungen zu sichern, sind sie in einem mit dem Lichtträger fest verbundenen und als Blendschirm gestalteten Trichter aufgehängt (in Abb. 1 ist der Blendschirm noch als beweglich dargestellt). Lampe nebst Differential-Reguliervorrichtung sind durch ein im hohlen Schaf des Lichtträgers laufendes Gegengewicht, welches vermittelst Kette und Rollen mit der Lampe in Verbindung steht, im Gleichgewicht gehalten. Die Zuleitungsdrähte für den Strom verbinden, in eine Litze vereinigt, die Mitte des Lichtträger-Schaftes mit der Lampe. Beim Herunterlassen derselben erfasst der Wärter mit einem fernrohrartig ineinanderschiebbaren Hakenstab den unter der Glocke hängenden Ring und zieht die Lampe, indem die einzelnen Abteilungen des Stabes übereinander geschoben werden, zu sich herunter. Das Hochlassen bewerkstelligt sich dadurch, dass das Gegengewicht ein wenig schwerer ist, als die Lampe. Weiter anzustellende Versuche werden erweisen, ob nicht die etwas unbequeme Anwendung des oben beschriebenen Hakenstabes in Fortfall kommen kann. Bei den paarweise angeordneten Lichtträgern des Baumganges läuft das Gegengewicht in einem derselben. Eine unter der Tragkette angeordnete schwächere Kette verbindet dasselbe mit der Lampe in der Mitte. Symmetrisch zu letzterer Kette sind die Zuleitungsdrähte, welche die Lampe mit dem anderen Lichtträger verbinden, angeordnet. Das Herunterlassen der Lampe wird, wie oben beschrieben, bewerkstelligt.

• L. Schupmann

• Auf epilog.de am 4. September 2024 veröffentlicht

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