Forschung & Technik – Erfindungen & Patente
Wie der Transistor nach Deutschland kam
tvi.ticker • 17. Januar 2019
Ohne ihn würde keiner unserer Computer funktionieren, kein elektronisches Gerät. In jedem heutigen Haushalt in Deutschland gibt es Millionen davon. Er gilt Vielen als die genialste Erfindung des 20. Jahrhunderts: der Transistor. 1947 gelang es Wissenschaftlern in den ›Bell Laboratories‹ in den USA, die ersten funktionierenden Transistoren zu bauen.
Wie einer der ersten Transistoren nach Deutschland gelangte, ist ein wahrer Technologiekrimi. Das unscheinbare Ding mit der handgeschriebenen Nummer 9 war 1952 in die Bundesrepublik gekommen und schlummerte bis 2006 in einer roten Streichholzschachtel. Es war der erste Transistor dieser Art, der seinen Weg nach Deutschland fand. Zu einem Zeitpunkt, als die neue Technologie kaum bekannt war – und schon gar nicht gekauft werden konnte. Mit in der Schachtel: ein handschriftlicher Zettel des Münchner Siemens-Mitarbeiters H. W. Fock vom 5. November 1952. Einliegend senden wir Ihnen, wie verabredet, den Bell-Transistor 1768, Nr. 9.
Erst 2006 tauchte das unscheinbare Ding wieder auf: Ein langjähriger Siemens-Mitarbeiter im Ruhestand hatte es bei sich zu Hause aufgehoben. Er präsentierte den Transistor seinen staunenden ehemaligen Kollegen und übergab ihn dem Historischen Archiv von Infineon.
Wie aber waren Siemens-Ingenieure schon im Mai 1952, gut vier Jahre nach der Erfindung, an den Transistor aus USA gekommen, obwohl das Produkt auf dem Markt noch gar nicht zu haben war? Das hat mit dem Kalten Krieg und der Anti-Trust-Politik der USA zu tun. Die Bell-Laboratorien hatten 160 Wissenschaftler für den Mai 1952 zu einem internationalen Transistoren-Symposium eingeladen. Dort stellten sie ihre Erfindung vor. Vier Teilnehmer der Siemens & Halske AG waren Teil des auserwählten Kreises – gegen eine stolze Gebühr von 25 000 Dollar. Die Teilnehmer – ausschließlich aus westlichen Ländern und Japan – hatten sich zu strikter Geheimhaltung verpflichtet, denn die USA wollten um jeden Preis verhindern, dass Informationen über die Zukunftstechnologie in die Hände des Ostblocks gelangten. Interessierte Firmen aus dem Westen wollte man dagegen als Lizenznehmer an dem Wissen teilhaben lassen. Karl Siebertz von Siemens & Halske erinnerte sich später an die Einladung: Das Ganze kam ziemlich überraschend – Anfang Mai hatten wir davon erfahren, am 22. Mai sollte das Symposium beginnen. Da war schon die Beschaffung der nötigen Papiere einigermaßen aufregend. Noch am Tage vor dem Abflug fuhren wir um 2 Uhr morgens von Karlsruhe nach Bonn ab, um dort um 9 Uhr im Auswärtigen Amt auf Geheimhaltung vereidigt zu werden.
Nur: Warum gaben die Bell-Laboratorien ihren technologischen Vorsprung freiwillig auf und gaben den Siemens-Mitarbeitern sogar einen Transistor mit nach Deutschland?
Ausschlaggebend war wohl die Anti-Trust-Politik der US-Regierung. Die Bell-Laboratorien bekamen ab 1949 staatliche Aufträge zur Erforschung der Transistortechnologie. In diesen Verträgen wurde die Verpflichtung verankert, die erzielten Forschungsergebnisse kostengünstig an Lizenznehmer weiterzugeben. Die USA wollten mit Staatsgeldern entwickelte Technologien auch anderen Firmen zugänglich machen.
Auf diese Weise gelangte auch Siemens 1952 in den Besitz der neuesten Forschungsergebnisse aus den Bell-Laboratorien und einiger Muster von Bell-Transistoren. Schon Ende 1952 wurde entschieden, in München eine Halbleiterfabrik zu bauen – am späteren Standort Balanstraße. Die ersten bei Siemens ab 1953 hergestellten Spitzen-Transistoren der Typen TS13 und TS33 sahen den Bell-Transistoren zum Verwechseln ähnlich. Siemens ist dann zu einem führenden Halbleiterunternehmen geworden, insofern haben sich die 25 000 Dollar durchaus gelohnt.
Die Transistoren werden im Deutschen Museum ausgestellt, gemeinsam mit dem europäischen Gegenstück der US-Erfindung: das Transistron. Der deutsche Physiker Herbert Franz Mataré hatte den ersten europäischen Transistor zusammen mit Heinrich Welker in einem Labor in Paris entwickelt – unabhängig von und fast zeitgleich mit den Amerikanern.
Quelle: Deutsches Museum