Berlin-Anhalter Eisenbahn

Tarifbestimmungen

Berlin-Anhaltische Eisenbahn • 1844

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Personen-Beförderung

  • Jeder Reisende hat sich zeitig mit dem erforderlichen Pass oder einer Passkarte zu versehen, indem bei Verhinderung der Abreise wegen desfallsiger Mängel aus polizeilichen Gründen die Rückgabe bereits bezahlten Fahrgeldes nicht stattfinden kann.
  • Jedes Fahrbillett ist nur für die darauf gestempelte Fahrt gültig, daher jeder Käufer sofort zu prüfen hat, ob es auf die gewünschte Fahrt lautet – spätere Reklamationen können nicht berücksichtigt werden.
  • Sichtlich kranke Personen, namentlich Epileptische, Ausschlags- oder Gemütskranke, so wie Personen im trunkenen Zustande und überhaupt solche, welche durch ihre Nachbarschaft oder durch ungebührliches Betragen den Mitreisenden augenscheinlich lästig fallen, können zur Mit- oder resp. Weiterfahrt (mit Verlust des gezahlten Fahrgeldes) nicht zugelassen werden.
  • Nur kleine Kinder, welche noch nicht gehen können, also im Arme getragen werden müssen, werden frei befördert. Kinder unter 10 Jahren zwei auf ein Billett, für ältere Kinder aber müssen Fahrbilletts wie für Erwachsene gelöst werden. Für ein Kind unter zehn Jahren in I. Wagenklasse ist ein Billett II. Klasse, in II. Klasse ein Billett III. Klasse, und in III. Wagenklasse ist für ein Kind und einen Erwachsenen ein Billett II. Klasse zu lösen.
  • Es können geschlossene Coupés zu 6 Personen in Wagen I. Klasse, zu 8 Personen in Wagen II. Klasse, und zu 10 Personen in Wagen III. Klasse genommen werden, in welche dann auch einige Kinder über die Zahl mitzunehmen unverwehrt ist. Solche Coupés können jedoch nur bis Köthen garantiert werden.
  • Der Umtausch von Billetts am Abfahrtsorte kann nur zu einer höheren Wagenklasse, vor dem Schlusse der Kasse und zu derselben Fahrt stattfinden.
  • Wer von Zwischen-Stationen aus in einer bessern Wagenklasse weiter fahren will, hat zu einem Billett II. Klasse noch ein Billett III.  Klasse zu nehmen, um in I. Klasse, und zu einem Billett III. Klasse noch ein zweites dergleichen, um in der II. Klasse fahren zu können. Nur in Berlin und Köthen geben die zur I. und II. Wagenklasse gelösten Billetts unbedingten Anspruch auf solche Wagenplätze, auf den Zwischen-Stationen aber nur insoweit, als in den daselbst ankommenden Wagen I. und II. Klasse noch Plätze unbesetzt sind.
  • Tabakrauchen ist in der I. Wagenklasse unter keiner Bedingung gestattet, in II. Wagenklasse nur dann, wenn keiner der im Coupé Sitzenden dagegen Einspruch tut.
  • Versäumte Abfahrt begründet überall keinen Anspruch irgendeiner Art. Eine unterbrochene Fahrt berechtigt nur zur Rückforderung des bezahlten Fahrgeldes pro rata Seitens derjenigen, welche etwa nicht mit demselben Zuge später, oder mit dem nächstfolgenden Zuge weiter fahren wollen.
  • Wer bei der Revision ohne Billett oder mit einem unrichtigen befunden würde, ist zur Nachzahlung des Fahrgeldes für die ganze, schon zurückgelegte Fahrt des Zuges und für den Platz, auf welchem er sich befindet, verpflichtet.
  • Die Fahrbilletts haben dieselbe Farbe wie die Wagenklasse, auf welche sie lauten (I. Klasse rot, II. Klasse gelb, III. Klasse grün), und über den Wagen oder über einzelnen Coupés sind die Ortsnamen der verschiedenen Stationen aufgesteckt, wohin der Zug geht. Die Aufnahme in einen andern Wagen oder in ein anderes Coupé, als über welchem der im Fahrbillett genannte Bestimmungsort aufgesteckt ist, kann kein Passagier verlangen.
  • Fahrbilletts direkt bis Magdeburg und Leipzig (ohne Umladen des Gepäcks in Köthen) können nur von Berlin ab gelöst werden, von den Zwischen-Stationen aus aber nicht weiter als bis Köthen, wo neue Billetts gelöst werden müssen.
  • Hunde dürfen nicht in den Personenwagen, können aber in besonderen Behältnissen gegen Fahrbilletts (à 1 Sgr. pro Meile) mitgenommen werden, ohne dass jedoch dafür irgend eine Garantie geleistet wird.

Passagiergepäck

Seit dem 1. Januar 1844 sind statt der bisherigen 40 Pfund Freigepäck à Person 50 Pfund Freigepäck gestattet, und ist die bisherige Abstufung für Übergewicht von 60 und resp. 50 Pfund auf eine Skala von 10 zu 10 Pfund ermäßigt worden.

Die Taxe für jede 10 Pfund Übergewicht beträgt:

  • zwischen Berlin und Magdeburg 4½ Sgr.
  • zwischen Berlin und Halle 4½ Sgr.
  • zwischen Berlin und Leipzig 5 Sgr.
  • zwischen Berlin und Köthen 3½ Sgr.
  • zwischen Berlin und Braunschweig 7 Sgr.

und für geringere Strecken nach dem auf allen Stationen aushängenden Tarife.

Der niedrigste Tarifsatz für Übergewicht wird 1 Sgr. betragen.

  • Das Passagiergepäck muss mit dem Namen des Eigentümers und dem Bestimmungsorte deutlich bezeichnet und festgepackt oder verschlossen, spätestens eine halbe Stunde vor der Abfahrt, unter Vorlegung des Fahrbilletts, in die Gepäcks-Expedition eingeliefert und daselbst die etwaige Überfracht berichtigt werden, widrigenfalls der Reisende es sich selbst beizumessen hat, wenn die Beförderung unterbleibt.
  • Gegen ordnungsmäßig eingeliefertes Gepäck werden unentgeltlich Garantiescheine erteilt, durch welche dasselbe von der Gesellschaft mit einem Taler pro Pfund garantiert wird. Alles Gepäck muss gewogen werden. Nur kleinere Gegenstände darf der Reisende, so weit dies ohne Belästigung der Mitfahrenden geschehen kann, bei sich im Wagen unter eigener Aufsicht behalten, jedoch ohne irgend eine Vertretung dafür Seitens der Gesellschaft.
  • Der Inhaber eines Garantiescheines hat solchen sorgsam zu verwahren, indem das darin bezeichnete Gepäck jedem Vorzeiger des Scheins gegen dessen Zurückgabe ausgeliefert und dadurch die Gesellschaft von jedem weiteren Anspruche befreit wird.
  • Alle in den Wagen oder auf den Bahnhöfen von Reisenden verlorene Sachen müssen von den Wagen- und Bahnhofswärtern in die Gepäcks-Expedition zu Berlin eingeliefert werden, wo dieselben von den Eigentümern nach gehöriger Legitimation in Empfang genommen werden können.
  • Die uniformierten und mit einer Nummer und den Buchstaben B. A. E. an der Mütze versehenen Gepäckträger auf dem Berliner Bahnhofe führen gedruckte polizeiliche Erlaubnisscheine bei sich, mit Taxe für die verschiedenen Dienstleistungen für Reisende, welche sie auf Verlangen vorzuzeigen und streng einzuhalten verpflichtet sind. Auf erwiesene Überschreitung derselben erfolgt die Bestrafung oder Entlassung der Kontravenienten.

Equipagen-Transport

(I. bedeutet 4- oder 2-sitzige Kutschen mit unbeweglichem Verdeck, II. alle anderen leichtere Equipagen.)

Von Berlin bis Magdeburg: I. 25 Taler. II. 18 Taler.

Von Berlin bis Halle: I. 22½ Taler. II. 16⅔ Taler.

Von Berlin bis Leipzig: I. 27 Taler. II. 19 Taler.

  • Die Equipagen müssen spätestens eine Stunde vor Abgang des Zuges auf dem Bahnhofe, unter Vorzeigung des dafür gelösten Billetts, abgeliefert werden. Nach Ankunft auf der Bestimmungs-Station wird gegen Zurückgabe des Billetts an den Zugführer die Equipage ausgeliefert, und muss spätestens innerhalb zwei Stunden vom Bahnhofe abgefahren werden, widrigenfalls für jede Equipage pro Stunde 5 Sgr. Standgeld zu entrichten ist.
  • In Berlin werden Equipagen auf Anmeldung (12 Stunden vor Abgang des betreffenden Zuges) in der Billett-Expedition oder in einem der Anmeldelokale in der Stadt gegen billige Vergütung sowohl nach dem Bahnhofe abgeholt als von da abgefahren.
  • Der Abholer der Equipage muss sich durch Abgabe des von der Güter-Expedition abgestempelten Duplikats des Anmeldezettels legitimieren und ihm ist, gegen Aushändigung des Equipagen-Billetts (mit Koupon), der darauf bemerkte Betrag zu bezahlen.
  • Auf allen übrigen Stationen kann diese An- und Abfuhr nicht zugesagt werden. Für Equipagen übernimmt die Gesellschaft keine andere Garantie, als die gegen Feuersgefahr während der Fahrt, und zwar für Equipagen I. Klasse bis zum Belaufe von 600 Taler, für Equipagen II. Klasse bis zum Belaufe von 300 Taler pro Stück. Für das auf oder in den Equipagen befindliche Gepäck wird gar keine Garantie geleistet.
  • Den Eigentümern der Equipagen, so wie deren Domestiken, steht es zwar frei, während der Fahrt in ihrer Equipage sitzen zu können, jedoch nur gegen Lösung eines Billetts II. Klasse für jede Person (der Herrschaft) und eines Billets III. Klasse für jeden Domestiken.
Entnommen aus dem Buch:
Am 15. Juni 1880 wurde das neue Empfangsgebäude der Berlin-Anhalter Eisenbahn am Askanischer Platz dem Verkehr übergeben. Doch die Eröffnung des imposanten Bauwerks von Franz Schwechten war nur eine Etappe des 1871 begonnenen Umbaus des Anhalter Bahnhof in Berlin. Auf einer Länge von 5 km wurden neben dem Personenbahnhof ein Güterbahnhof, Werkstätten, Aufstell- und Verschiebegleise und viele weitere Anlagen neu errichtet. In zeitgenössischen Originaltexten werden die Anfänge der Berlin-Anhalter Eisenbahn, der Umbau des Bahnhofs und die Architektur der Gebäude geschildert. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrs- und Architekturgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 98 Seiten | ISBN: 978-3-7431-9651-3

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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