Privat- und Werkbahnen in Berlin

IHK-Verkehrsausschuß diskutiert Zukunft des Schienengüterverkehrs in Berlin

Private Bahnen können mehr Transporte übernehmen

Berliner Wirtschaft • Juni 2001

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Wie wirkt sich das Sanierungskonzept der Deutschen Bahn AG für den Güterverkehr auf den Schienentransport in Berlin aus? Welche Rolle können die privaten Bahnen spielen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Verkehrsausschuss der IHK Berlin in seiner Sitzung am 8. Mai 2001. Wie der Beauftragte der DB-Konzernleitung für das Land Berlin, Peter Debuschewitz, berichtete, strebt DB Cargo einen höheren Marktanteil im Güterverkehr an, müsse dafür aber leistungsfähiger werden.

Im Rahmen des neuen Konzeptes ›Marktorientiertes Angebot Cargo (Mora C)‹ solle der Großkundenverkehr ausgebaut, die Leistungsqualität verbessert und die Kosten gesenkt werden. Die vorgesehene Kostensenkung führt auch zu Einschnitten bei der Kundenbedienung, da DB Cargo z. Z. noch mit 89 % der Kunden lediglich 5 % des Umsatzes macht. Mora C stelle jedoch kein ›Schrumpfbahnkonzept‹ dar, betonte Debuschewitz, vielmehr gehöre zu diesem Konzept auch ein umfangreiches Investitionsprogramm zur Angebotsverbesserung, das die Beschaffung neuer Güterwagen und Lokomotiven vorsehe.

Mora C betrifft allein den Einzelwagenverkehr, nicht aber den Ganzzug- und Kombiverkehr, ergänzte Gabriele Laurisch, Leiterin der Niederlassung Berlin von DB Cargo. Der Einzelwagenverkehr fahre gegenwärtig rund 300 Mill. DM Verluste im Jahr ein. DB Cargo müsse daher dort Abstriche machen, wo unter hohen Kosten nur geringe Umsätze erzielt werden könnten. Nach gegenwärtigem Stand blieben von den existierenden 2100 Güterverkehrsstellen in Deutschland knapp 1400 erhalten. In Berlin seien es 22 Güterverkehrsstellen von bisher 31. Von den geplanten Stilllegungen seien 16 % der Berlin-Tonnage der Bahn betroffen. Mit allen betroffenen Kunden werde DB Cargo Alternativlösungen besprechen, um möglichst viele Transporte auf der Schiene zu halten.

Der Referatsleiter Grundsatzangelegenheiten der Verkehrspolitik bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Dr. Friedemann Kunst, begrüßte das Ziel der DB, den Marktanteil der Schiene am Gütertransport zu erhöhen. Er bedauerte aber auch, dass die Bahn in Berlin in den vergangenen Jahren viel Aufkommen verloren hat. Dies habe aus Sicht des Senats zu einer stärkeren Belastung des Straßennetzes der Stadt geführt. Leider hätten sich die in die Güterverkehrszentren (GVZ) gesetzten Erwartungen für eine Stärkung des Schienentransports bisher nicht erfüllt. Der Senat entwickle im Rahmen des Stadtentwicklungsplanes Verkehr (STEP Verkehr) gegenwärtig auch eine Strategie für den Güterverkehr auf der Schiene.

Die Industriebahn-Gesellschaft Berlin (IGB) habe in den vergangenen Jahren ebenfalls Anschlussbahnen stillgelegt, da auch für sie das Gebot der Wirtschaftlichkeit gilt, erläuterte der Geschäftsführer der Industriebahngesellschaft Berlin (IGB) Detlef Bröker. Die Pläne von DB Cargo in Berlin, eine Reihe von Güterverkehrsstellen aufzugeben, biete aber die Gelegenheit, die bestehende Arbeitsteilung mit den privaten Bahnen zu überdenken und neu zu strukturieren. Viele Transporte, die sich für die DB nicht rechneten, könnten von den privaten Bahnen übernommen werden. Unabhängig von der Zusammenarbeit im Nahbereich stünden DB Cargo und private Bahnen bei Ferntransporten im Wettbewerb. Dies führe auch zu mehr Verkehr auf der Schiene. Rail Cargo Berlin, eine Tochtergesellschaft von IGB und Prignitzer Eisenbahn hat nach seinen Angaben in diesem Jahr eigenständige Baustofftransporte von Sachsen-Anhalt nach Berlin aufgenommen, die bisher über die Straße gingen.

In der weiteren Diskussion überwogen die kritischen Stellungnahmen zum Vorgehen von DB Cargo in Berlin. Es bestanden Zweifel, ob die zur Stilllegung vorgesehenen Güterverkehrsstellen hinreichend untersucht wurden. Aus Sicht der Ausschussmitglieder gibt es für den kombinierten Verkehr im GVZ Großbeeren sehr wohl eine Chance, wenn offensiver an den Markt herangegangen wird. Als Ergebnis der Diskussion verabschiedete der Verkehrsausschuss eine Resolution, in der er das marktorientierte Konzept von DB Cargo grundsätzlich begrüßt. Gleichzeitig erwartet er aber mehr Transparenz in Berlin und mehr Chancen für private Bahnen. Die IHK plant jetzt eine Gesprächsrunde zur Zukunft des Eisenbahngüterverkehrs in Berlin.

• Hans-Michael Drutschmann

Resolution des Verkehrsausschusses der IHK Berlin

Mehr Wettbewerb auf der Schiene notwendig

  • Der Verkehrsausschuss der IHK Berlin spricht sich für mehr Wettbewerb auf der Schiene und bessere Rahmenbedingungen für die Beteiligung privater Bahnen am Personen- und Güterverkehr in Berlin-Brandenburg aus. Wesentliche Voraussetzung für mehr Wettbewerb auf der Schiene ist ein leichter und fairer Netzzugang für private Bahnen. Dafür ist eine klare Trennung von Netz und Betrieb notwendig, so wie sie auch der DIHT befürwortet. Nur eine unabhängige Netzgesellschaft wird ihr Streckennetz allen Eisenbahnen freizügig und zu neutralen Bedingungen zur Nutzung anbieten.
  • Der Verkehrsausschuss erwartet, dass bei Stilllegung von Strecken die vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren und Fristen eingehalten werden. Auch sollte endlich Klarheit darüber bestehen, welche Güterverkehrsstellen in Berlin geschlossen werden und welche künftig noch in Betrieb bleiben. Der Verkehrsausschuss geht weiter davon aus, dass DB Cargo auch in Berlin die Zusicherung einlöst, Unternehmen, die als Versender oder Empfänger von der Einstellung unwirtschaftlicher Gütertransporte betroffen sind, frühzeitig zu informieren und Ersatzlösungen anzubieten. Dabei muss auch geprüft werden, ob eine Bedienung durch eine private Bahn möglich ist.
  • Der Verkehrsausschuss sieht in der konsequenten Marktorientierung, auf die die Deutsche Bahn AG im Personen- und Güterverkehr hinsteuert, einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Schiene in Richtung Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern. Private Bahnen dürfen in dem neuen Konzept aber nicht auf lokale und regionale Zubringerverkehre oder Verkehre in Kooperation mit der DB AG beschränkt werden, sondern müssen auch eigenständig Ferntransporte entwickeln können.
  • Der Verkehrsausschuss bekräftigt erneut seine Forderung, den Umschlag der Züge des Kombinierten Verkehrs vom Hamburg und Lehrter Bahnhof in den Westhafen zu verlagern. Der neue Terminal im Westhafen ermöglicht einen »trimodalen« Güterumschlag zwischen Binnenschifffahrt, Eisenbahn und Lastwagen und ist damit für die moderne Güterlogistik wesentlich geeigneter als der bestehende Kombibahnhof.

• Auf epilog.de am 15. Juni 2001 veröffentlicht

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