U-Bahn in Berlin

Züge bringen die Wand zum Leuchten

Neuer ›Mäusetunnel‹ ermöglicht leichtes Umsteigen von der U 6 zur U 2

tvi.ticker • Juni 1999

Der 160 Meter lange Verbindungsgang im U-Bahnhof Stadtmitte steht jetzt wieder den Fahrgästen zur Verfügung. Nach insgesamt 17 Wochen Bauzeit kann damit ohne Umwege über die Friedrichstraße von der Linie U 6 auf die Linie U 2 umgestiegen werden.

Der von den Berlinern ›Mäusetunnel‹ genannte Durchgang wurde grundlegend saniert und vollkommen neu gestaltet. Decken, Böden und Wände wurden erneuert, die Treppen und Zugangsbereiche saniert (im nördlichen Zugangsbereich wurde ein Zwischenpodest entfernt) und die Beleuchtung auf das neue Gesamtbild des Verbindungsgangs abgestimmt. Während der Bauarbeiten ergaben sich immer wieder Schwierigkeiten, die zu Verzögerungen geführt haben. So erwiesen sich die vorliegenden Pläne in großen Teilen als unvollständig. An der Treppe zur U 2 wurde oberhalb der Treppenöffnung ein zusätzlicher Stahlträger vorgefunden, der wegen zu geringer Kopfhöhe mit großem Aufwand entfernt werden musste. Während der Arbeiten stießen die Bauarbeiter u. a. auf eine wasserführende Leitung, die in keinem Plan verzeichnet war.

Mit dem alten Mäusetunnel hat der jetzt eröffnete Durchgang nicht mehr viel gemeinsam. Optisch herausgearbeitet wurde die Krümmung besonders der östlichen Wand. Von den beiden Zugängen aus verjüngt sich der Tunnel von jeweils vier auf drei Meter in der Mitte. An dieser Engstelle stehen die Musiker, die den Tunnel wegen seiner guten Akustik schätzen und das sich kontinuierlich öffnende Bauwerk als natürlichen Verstärker der Musik nutzen.

Diesen Mittelpunkt hat sich das Planungsbüro ArchitektenSocietät (AS) als Ausgangspunkt für seine Neugestaltung des Gangs genommen.

Neu ist der helle, blaugraue Kunststein, der nahtlos von der Wand in den Boden übergeht und die Grenzen verwischt. In das Fugenraster der Wände sind Glasbausteine eingelassen, die mit ihren unterschiedlichen Höhen gleichsam wie Akkorde einer Melodie auf und ab wandern. Die hinter den Tunnelwänden vorbeifahrenden Züge der U-Bahn-Linie 6 lassen diese Akkorde leuchten, Bewegung kommt in die Notenzeile. Der Verkehr verbindet sich über die Bewegung mit der Musik. Auch die in den Boden eingelassenen ›Schallwellen‹ aus Metallschienen setzen die Töne der Musiker optisch um.

Ein prägendes Element sind auch die Wandfelder aus Edelstahlblechen, die blaues und weißes Licht reflektieren. Ihre technische Wirkung kontrastiert mit den roten Farbelementen aus Kunststein, die an die historische Farbzuordnung der U 6 erinnern.

Passend zur Bedeutung des Umsteigebahnhofs Stadtmitte – in unmittelbarer Nähe zu Friedrichstraße und Gendarmenmarkt im historischen Zentrum Berlins – ist aus dem eher langweiligen und abweisenden Gang ein attraktiver Ort geworden, der durch seine künstlerische Gestaltung auch mal zum Verweilen einlädt. Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf rund 1,8 Mill. DM.

Quelle:  Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)

Buchtipp:
Die 1910 eröffnete Untergrundbahn der damals noch selbstständigen Stadt Schöneberg – heute die Berliner Linie U 4 – war nicht nur die zweite U-Bahn in Deutschland, sie setzte auch neue Maßstäbe bei der Baulogistik und viele Verfahren der ›Berliner Bauweise‹ wurden hier zum ersten Mal angewendet. Dem Verfasser dieses Buches, Stadtbaurat Friedrich Gerlach (1856 – 1938), oblag die oberste Leitung für das Projekt der Schöneberger Untergrundbahn und so erfährt der Leser aus erster Hand, wie die Strecke geplant und gebaut wurde. Über 120 Zeichnungen und Fotos illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 110 Seiten | ISBN: 978-3-7519-1432-1

• Auf epilog.de am 1. Juli 1999 veröffentlicht

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