Forschung & TechnikWissenschaft

Die neue herzogliche Sternwarte in Gotha

Illustrirte Zeitung • 26.11.1859

Die bekannte, auf dem Seeberg bei Gotha gelegene Sternwarte ist in den Jahren 1787 – 1791 von dem damals regierenden Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha und Altenburg gegründet und erbaut worden. Sie wurde von ihrem Gründer den damaligen Bedürfnissen der Astronomie entsprechend eingerichtet und mit fürstlicher Munifi­zenz ausgestattet; sie war in Deutschland die erste Sternwarte, die nicht auf dem oberen Teil eines Turms, sondern auf natürlichem Boden angelegt worden war. Die Zeit, die alles Äußerliche ändert, hat freilich seitdem in den Anlagen der Sternwarten noch große Abänderungen hervorgebracht, und man hat sich genötigt gesehen, noch einen Schritt weiter zu gehen. Während man bei der Anlage dieser Sternwarte glaubte, eine freiliegende Berghöhe zum Platz derselben wählen zu müssen, wählt man gegenwärtig geschützte Punkte in ebenem Terrain dafür aus. Wir sehen hierin gleichwie in allen anderen Fortschritten der menschlichen Erkenntnis eine Stufenfolge eintreten. Der Schritt, auf einmal von der auf dem höchsten Punkt eines Turms angelegten Sternwarte bis auf ein Gebäude in der Ebene herabzusteigen, schien zu gewagt, als dass er ohne Zwischenstufe gedacht werden könnte, und diese bot die Bergkuppe dar.

Es zeigten sich jedoch nicht sehr lange Zeit, nach der Erbauung der Sternwarte auf dem Seeberg die Nachteile, die die Lage derselben mit sich brachte. Die Ungunst der Witterung, die sich auf dem dagegen völlig ungeschützten Platze mit ungebrochener Kraft entfalten konnte, wirkte in jedem Betracht störend und hemmend auf die Ausübung der praktischen Astronomie ein, und verursachte bedeutende Kosten an Baureparaturen. Die Fortschritte, die die praktische Astronomie seitdem gemacht hat, konnten zum größeren Teil nicht benutzt werden, weil es unmöglich war, die Gebäulich­keiten danach abzuändern. - R E K L A M E - Die Erfindung der Drahtseilbahnen So z. B. entbehrte diese Sternwarte ein mit einem beweglichen Dach versehenes Beobachtungszimmer, dessen Herstellung als unmöglich betrachtet werden musste, da ein anfänglich vorhandenes vom Wind abgehoben und in das benachbarte Feld geworfen worden war.

Nachdem alle Umstände, die in Bezug auf die Ausübung der praktischen Astronomie die Wirkung der Sternwarte auf dem Seeberg beeinträchtigen mussten, einer sorgfältigen Erwägung unterzogen worden waren, beschloss der jetzt regierende Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha auf Vortrag des Staatsministers Freiherrn von Seebach, die Verlegung dieser Sternwarte auf einen geeigneteren Platz, und den Neubau derselben in einer, den jetzigen Forderungen der Wissenschaft entsprechenden Weise zur Ausführung gelangen zu lassen. Dieser Beschluss ist in den letzten Jahren ausgeführt worden, und das anliegende Bild zeigt die südliche, perspektivische Ansicht der neuen herzoglichen Sternwarte zu Gotha, durch deren Errichtung der Herzog nicht nur das Denkmal seiner Vorfahren auf die würdigste Weise geehrt, sondern auch unter den fürstlichen Gönnern und Beförderern der Astronomie, deren Namen die Geschichte aufzeichnet, einen Platz eingenommen hat, den Mit- und Nachwelt in dankbarster Weise anerkennen muss. Die tätige Mitwirkung des Staatsministers Freiherrn von Seebach, welcher mit tiefer Einsicht und genauester Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände diese Angelegenheit an höchster Stelle leitete, hat das Unternehmen wesentlich gefördert.

• Auf epilog.de am 23. November 2025 veröffentlicht

Reklame