Handel & IndustrieLandwirtschaft

Die Elektrizität in der Landwirtschaft

Von Hans Dominik

Die Woche • 11.4.1908

Voraussichtliche Lesezeit rund 9 Minuten.
Transformator und LeitungenAbb. 1. Transformator und Leitungen.

Der frühere Landwirtschaftsminister von Podbielski hat kürzlich vor Berufsgenossen eine Rede gehalten, in der er den landwirtschaftlichen Großbetrieb als die einzige auf die Dauer wirklich haltbare und rentable Form des landwirtschaftlichen Betriebes überhaupt bezeichnete, da man nur hier im Gegensatz zu mittleren und kleinen Betrieben die Wohltaten der modernen Technik genießen könne. »Mir tut es jedes Mal leid,« so fuhr der Minister ungefähr fort, »wenn ich einen Bauern hinter den Pferden und dem Pflug herlaufen sehe. Auf meinen Gütern sitzt der Pflüger auf dem durch Motoren bewegten Pflug. Das aber ist bei dem kleinen Besitzer nicht möglich, und so droht ihm stets das Landarbeiterelend.«

ÖltuchbrecherAbb. 2. Elektrisch betriebener Öltuchbrecher.

Diese Rede und speziell die vorstehenden Ausführungen haben von vielen Seiten Widerspruch gefunden, obwohl ihnen zweifellos viel Wahres zugrunde liegt. In jedem anderen Betrieb der Industrie, des Gewerbes oder der Verkehrstechnik finden wir neuzeitliche mechanische und maschinelle Hilfsmittel. Der Gewerbetreibende, der heute noch Kleider und Schuhe nach den Methoden der alten Assyrier und Babylonier herstellen wollte, würde sich wirtschaftlich nicht vierzehn Tage halten können. Bei der Herstellung unserer wichtigsten Lebensmittel, bei den landwirtschaftlichen Betrieben wird dagegen zum größten Teil immer noch nach der Urväterweise verfahren. Die Erklärung für diese Sonderbarkeit ist nicht allzu schwer zu geben. Im Gegensatz zu Industrie und Gewerbe ist die Landwirtschaft im Einzelnen ein durchaus ortsveränderlicher Betrieb. Wenn der Schneider sich eine mechanische Nähmaschine in seine Werkstatt stellt, so verbessert er seine Anlage bereits bedeutend, und die hunderttausend Röcke oder Westen, die er im Laufe der Zeit fabriziert, werden alle der Wohltaten dieser neuen Nähmaschine teilhaftig. Der Landwirt dagegen, der etwa 5000 und mehr Morgen Landes besitzt, muss, wenn er zum mechanischen Betrieb übergehen will, insbesondere für das Pflügen, Säen und Mähen Vorrichtungen schaffen, die imstande sind, jeden Quadratzoll dieses gewaltigen Geländes zu erreichen und zu bearbeiten. Hier also zeigt sich der große Unterschied. In anderen Betrieben kommen die Arbeitsstücke zur Maschine, in der Landwirtschaft dagegen muss die Maschine, und auch die arbeitende Kraft, zu jedem einzelnen Arbeitsstückchen kommen, und das bedingt Vorrichtungen von ganz besonderer Art.

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• Auf epilog.de am 23. Januar 2024 veröffentlicht

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