Handel & Industrie – Druck & Papier
Die Schnellpresse
Pfennig Magazin • 6.9.1834
Wenn mit Johann Guttenberg, dem Erfinder der beweglichen Lettern, die erste Epoche der Geschichte der Buchdruckerkunst beginnt, so nimmt die zweite ihren Anfang mit der Presse, die dritte mit der Erfindung der Stereotypie und die vierte mit der Erfindung der Schnellpresse. Vergleichen wir den einfachen Mechanismus, welche vor noch nicht vollendeten 400 Jahren die Typenformen auf das Papier drückte, mit dem sinnreichen Mechanismus der Schnellpresse, so finden wir kaum eine entfernte Ähnlichkeit zwischen zwei das Nämliche erzielenden Maschinen. Beiden Erfindungen aber kann man das ungeschminkte und unerdichtete Lob nachsagen, dass sie nicht aus Gewinnsucht, nicht aus pekuniären Privatinteressen, sondern aus der Überzeugung eines allgemein empfundenen Bedürfnisses hervorgingen; die Schnellpresse namentlich aus dem Bedürfnis, oder, um uns minder stark auszudrücken, aus dem Verlangen des Publikums, nach einer schnelleren Mitteilung der Zeitereignisse, als sie durch die gewöhnliche deutsche Presse erzielt und geleistet werden konnte. Hieraus geht schon hervor, dass solche Druckereien mit Vorteil eine Schnellpresse anlegen können, welche entweder ununterbrochen schnell zu verbreitende Nachrichten zu drucken haben, oder deren Unternehmer mit Sicherheit auf frequente Beschäftigung rechnen können; denn in den Schnellpressen steckt ein ansehnliches Kapital, welches, wenn es nicht durch den Gebrauch derselben mobil gemacht wird, dem Besitzer nicht die Zinsen desselben wiedergibt, und, da doch die Schnellpresse, wie jedes andere Mobiliar, der Invalidität unterworfen ist, also von Zeit zu Zeit Reparaturen erleiden muss etc., dem Unternehmer nicht vorteilhaft sein würde. Eine gewöhnliche deutsche Presse konnte jenem Bedürfnis nicht Abhilfe tun, und hätten gleichzeitig zur schnellen Verbreitung von Nachrichten mehrere Pressen in Anspruch genommen werden sollen, so mussten auch mehrere Formen gemacht werden; es war also immer ein ansehnlicher Zeitaufwand unvermeidlich. So ging die Sache bis zum Jahr 1814. Zwar schreiben die Engländer die Erfindung der Schnellpresse einem ihrer Landsleute, William Nicholsen, zu; allein sie sind aufrichtig und unparteiisch genug, ihren Nationalstolz durch das offene Bekenntnis zu verleugnen, dass der eigentliche Erfinder, der die Schnellpressen ins praktische Leben eintreten ließ, ein Sachse, Namens König, war. Im Jahr 1804 kam König in London an; er hatte seine Idee längst innerlich zur Reife gebracht, und da er glaubte, dass er in Deutschland kein Glück damit machen würde, so hatte er sich nach England gewendet.
Bekannt ist es ja, dass der Brite eine Ehre darein setzt, zur Einführung nützlicher Institute und Erfindungen durch Geldmittel beigetragen zu haben. Auf diesen allgemein bekannten Charakterzug sich verlassend, hatte nun König seine Idee nach England hinübergetragen. Allein die ersten Anträge, welche er mehren Besitzern von Druckereien dieserhalb machte, wurden mit Kälte aufgenommen. Nachdem er eine große Reihe angesehener Häuser erfolglos durchgegangen war, glückte es ihm endlich, einen Unternehmer, Herrn Bensley, zu finden, der, die neue Idee mit scharfblickendem Geiste durchdringend, sofort in einen Kontrakt mit König einging. Allein die ersten Versuche liefen nicht ganz nach Wunsch ab, die Bewegungen waren nicht schnell genug, und zugleich verursachte das durch eine Person ausgeübte Auftupfen der Schwärzungsballen allerhand Unbequemlichkeiten, und man dachte über eine mit der Maschine in Verbindung zu setzende Vorrichtung nach, welche die Schwärzung mechanisch hervorbrächte. Während man hieran arbeitete, traten noch zwei Personen, G. Woodfall und R. Taylor, in den Verband; Ersterer zog sich jedoch bald, in seinen sanguinischen Hoffnungen getäuscht, zurück. Die übrigen drei, keineswegs entmutigt durch den langsamen Fortgang des Maschinenbaues und durch die auf missglückende Versuche verwendeten Geldsummen, setzten das einmal Begonnene mit Ausdauer fort. Man kam endlich zu der Ansicht, dass Königs Idee in der angegebenen Form unausführbar sei und einer radikalen Veränderung bedürfe. Not brach Eisen. Jetzt erst kam er auf den Zylinderdruck, und einige Jahre nach dem Entwurf seiner Idee begann man das Werk von neuem und brachte eine Maschine zu Stande, deren Einrichtung darin bestand, dass der zu bedruckende Bogen flach zwischen eine eiserne Walze und die Typenform hindurchpassierte, und dass anstatt des sonst üblichen Auftupfens mit dem Tupfballen ein System von ebenliegenden und mit durch Druckerschwärze gefeuchtetem Tuche umgebenen Walzen die Schwärze auf die Form trug. Da nun gleichzeitig auch der Bedarf der Zeitschriften, und namentlich der Times, stieg, bestellte Herr Walters, Herausgeber dieser Zeitung, zwei Zylinderdruckmaschinen. Anfangs hielt man jedoch die Erfindung geheim. Welche Gründe man dazu hatte, ist nicht bemerkt; doch lässt sich vermuten, dass man von Seiten der Drucker Unzufriedenheit, vielleicht gar Ausbrüche der Gewalttätigkeit befürchtete. Montags, den 28. November 1814 kündigte endlich die Times ihrem Leser an, dass er ein Produkt der Dampfschnellpresse in Händen halte. Die Sache machte Aufsehen und durchzuckte wie ein elektrischer Schlag Englands Hauptstadt. Schon früher war das Gerücht von der Existenz einer Dampfschnellpresse in Umlauf gebracht worden; vielleicht hatte die Indiskretion eines Arbeiters ein unvorsichtiges Wort fallenlassen; da man jedoch einen solchen Mechanismus für Chimäre hielt, so schloss Miss Fama auch bald den Mund.
Den nächsten Fortschritt in der Verbesserung der Schnellpresse machten die Herren Bensley. Während nämlich die früheren Pressen den Bogen nur auf einer Seite bedruckten, war Bensleys Mechanismus so eingerichtet, dass er die Bogen in dem Walzensystem umkehrte und ihn auf beiden Seiten bedruckt zurückgab. Doch hatte auch diese Maschine noch manche Mängel, welche namhaft zu machen hier nicht der Ort sein würde. Die Dampfschnellpresse war nun der Gegenstand des Gesprächs, der Gegenstand der Spekulation, der Bewunderung einerseits, der Besorgnisse andererseits. Viele Unternehmungen, nachdem sie beträchtliches Kapital absorbiert hatten, scheiterten. Mittlerweile hatte Bensley seine Aufgabe, die Maschine zu vereinfachen, glücklich gelöst; alle Mängel wurden beseitigt, und, was zum Erstaunen ist, 40 Räder wurden von der Maschine abgenommen und ihr Volumen auf die Hälfte reduziert.
Ein ganz neues von August Applegarth erfundenes System scheint die ältere Maschine mit der Zeit verdrängen zu wollen; mehre von seinen Schnellpressen sind bereits zu London in Tätigkeit; viele sind ins Ausland gegangen. Die Abschaffung der Tupfballen bei den gewöhnlichen Pressen und der Ersatz derselben durch Druckwalzen ist als eine Folge der Erfindung der Schnellpresse anzusehen. Die Handmaschinen des Herrn Napier stehen noch in großem Ruf, bedrucken den Bogen auf beiden Seiten und leisten so viel als sieben Pressen.
Der Mechanismus der Schnellpresse ist nicht verwickelt, sondern von leicht fasslicher, sinnreicher Einfachheit. Ein Arbeiter legt einen Bogen Papier an die sogenannte Speisewalze; diese nimmt ihn auf, überliefert ihn der Schlichtwalze, von welcher er der Eingangswalze überliefert wird; letztere zieht ihn über die Form hin. Damit aber der Druck elastisch und nachgiebig ausfalle, ist der Druckzylinder mit Tuch umgeben. Dieser Zylinder führt nun das Papier in das Mittelsystem, wo es umgekehrt wird, so dass die weiße Seite nach unten zu liegen kommt, unter dem zweiten Zylinder innerhalb der Maschine gedruckt und von einem zweiten Arbeiter in Empfang genommen wird.
Erklärung der einzelnen Teile:
A. Rad auf einem Schaft in unmittelbarer Verbindung mit dem Dampfapparat, überträgt die Bewegung in die Maschine.
B. Der Riemen ohne Ende, als erstes übertragendes Mittel von der Dampfmaschine zur Schnellpresse.
C. Hemmwalze, tote Walze, welche sich frei um den Schaft bewegt, um bei fortarbeitender Dampfmaschine einen Stillstand der Presse durch Übertragung des Riemens hervorzubringen; die andere Walze überträgt die Bewegung zu zwei Zahnrädern, von wo aus sie sich verteilt.
D. Die Schwärzungstafel. Die Übertragung der Schwärze auf die Form geschieht vermittelst einer vibrierenden, d. h. zitternden Walze, die bei ihrem Erheben eine andere Walze berührt, welcher die flüssige Schwärze aus dem Behälter selbst zufließt, und sie der Schwärzungstafel übergibt; von dieser Tafel wird sie wiederum von drei Walzen abgenommen und der Typenform zugeführt.
E. Blattwalze oder Speisewalze.
F. Schlichtwalze.
G. Eingangswalze.
H. Der erste Druckzylinder, welcher die Vorderseite des Bogens auf die unterhalb befindliche Form presst.
I u. K. Das Mittelsystem zum Umkehren des Bogens und zur Übertragung desselben unter den zweiten Presszylinder, welcher die Rückseite druckt.
M. Ein Stoß weißen Papiers, von welchem der Anleger einem Bogen nach dem anderen nimmt und ihn der Blattwalze übergibt.
Die mechanische Vorrichtung, durch welche der Bogen der Schlichtwalze von der Blattwalze übertragen wird, konnte auf unserer Abbildung nicht mit dargestellt werden.