U-Bahn in Berlin

Die elektrische Untergrundbahn der Stadt Schöneberg

Die Haltestelle Stadtpark

Zeitschrift für Bauwesen • 1911

Haltestelle StadtparkHaltestelle Stadtpark.

Von allen das eigenartigste und bemerkenswerteste Bahnhofs-Bauwerk ist indessen die Haltestelle Stadtpark, bei deren Erbauung Architekt, Ingenieur und Gartentechniker sich einträchtig die Hand reichten.

Wie schon früher erwähnt, durchschneidet die Untergrundbahn das moorige Fenngelände des ›Schwarzen Grabens‹, eines vom Wilmersdorfer See kommenden alten Vorfluters. Auf den Vorschlag und nach den Entwürfen des Verfassers wurde diese für die Bebauung ungeeignete natürliche Talmulde für die Anlage eines Stadtparks mit teilweise landhausmäßiger Randbebauung bestimmt. Um die Talbildung nicht zu verwischen, musste hier die in der Innsbrucker Straße liegende Untergrundbahn zutage treten und brückenartig über die Stadtparkmulde geführt werden, und zwar in einem gewissermaßen zweigeschossigen Bauwerk, das oben in etwa 6m Höhe über dem Talboden die Innsbrucker Straße hinüberleitet und unten, etwas über die Parkoberfläche erhöht, eine Haltestelle der Untergrundbahn enthält.

Haltestelle Stadtpark - QuerschnittHaltestelle Stadtpark – Querschnitt.

Überaus schwierig und bemerkenswert war die Gründung des Bauwerks im tiefen Moorboden; sie wird weiter unten näher beschrieben werden. Aber auch dem Architekten wurde hier Gelegenheit zur Schaffung eines das Parkbild belebenden, bisher einzig in seiner Art dastehenden Architekturstücks gegeben. Er hatte die schwierige Aufgabe zu lösen, den Eindruck einer von Pfeilern getragenen Brücke zu wahren, obgleich die Seitenwände des Tunnels in ihrer ganzen Länge Fensterdurchbrechungen erhalten sollten. Dadurch, dass die Pfeiler bei ihrer geringen Breite eine ungewöhnliche Tiefe mit abgeschrägten Seitenflächen erhalten haben, ist der Eindruck eines massigen Brückenunterbaues erreicht worden. Die Fensterflächen sind in einer verkürzten Ansicht der Brücke bereits nicht mehr sichtbar, nur die licht- und schattenreichen senkrechten, von Figurengruppen bekrönten Vorbauten treten in die Erscheinung. Eingang von der Innsbrucker Straße zur Haltestelle StadtparkEingang von der Innsbrucker Straße zur Haltestelle Stadtpark. Durch die verhältnismäßig geringe äußere Höhe der Überführung bleibt das Bauwerk hauptsächlich durch die an beiden Enden nach dem Park führenden Treppen, trotz ihrer technischen Bestimmung noch im Rahmen der Parkarchitektur und bildet mit dem Spiegel des dicht davorliegenden Wasserbeckens einen reizvollen, malerischen Abschluss des Parkbildes, der durch die wirkungsvolle Spiegelung des Bauwerks noch erhöht wird. Im Inneren zeigt die Haltestelle durch die beiderseitigen Fensterreihen eine überraschende Lichtfülle. Von dem Mittelbahnsteig der geräumigen Halle haben die Fahrgäste nach beiden Seiten hin wundervolle Ausblicke in die sich ausdehnende Landschaft des Stadtparks. Im Zuge der Innsbrucker Straße, von der aus der in der Abbildung wiedergegebene Eingang zur Haltestelle hinabführt, erscheint die Überführung als Brücke, deren Brüstung durch vier balkonartige Nischen mit monumentalen bildnerischen Gruppen vom Professor Guhr (Dresden) unterbrochen ist. Auch hier ist der Eindruck der Parkarchitektur durch den Figurenschmuck und die Treppen zum Park gesichert, so dass das Bauwerk seiner dreifachen Zweckbestimmung, die Haltestelle einer Untergrundbahn, ferner eine brückenartige Straßenüberführung und endlich einen architektonischen Schmuck für die Stadtparkanlage zu schaffen, in vornehm-künstlerischer Weise gerecht wird. Die meisterhafte Lösung stammt von dem Architekten Emil Schaudt.

• Friedrich Gerlach, Stadtbaurat

Entnommen aus dem Buch:
Die 1910 eröffnete Untergrundbahn der damals noch selbstständigen Stadt Schöneberg – heute die Berliner Linie U 4 – war nicht nur die zweite U-Bahn in Deutschland, sie setzte auch neue Maßstäbe bei der Baulogistik und viele Verfahren der ›Berliner Bauweise‹ wurden hier zum ersten Mal angewendet. Dem Verfasser dieses Buches, Stadtbaurat Friedrich Gerlach (1856 – 1938), oblag die oberste Leitung für das Projekt der Schöneberger Untergrundbahn und so erfährt der Leser aus erster Hand, wie die Strecke geplant und gebaut wurde. Über 120 Zeichnungen und Fotos illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 110 Seiten | ISBN: 978-3-7519-1432-1

• Auf epilog.de am 5. Mai 2020 veröffentlicht

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