Handel & IndustrieFabrikation

Deutschlands große Werkstätten

Der Bochumer Verein

Die Gartenlaube • August 1875

Voraussichtliche Lesezeit rund 13 Minuten.

An der Wasserscheide zwischen Ruhr und Emscher, drei Meilen vom alten Dortmund nach Westen und gleich diesem durchschnitten von der alten Handels- und Heerstraße des Hellweg, lag vor vierzig Jahren ein westfälisches Landstädtchen, dessen dreitausend Einwohner vom Ertrag ihrer Felder und Heerden lebten, dessen berühmtester Sohn und literarischer Lokalheld Dr. Kortüm war, der geistige Vater des gottseligen Kandidaten Hieronymus Jobs und anderer, der Literatur zurzeit nach vorenthaltener kräftiger und saftiger Scherze. ›Kau-Baukum‹ hieß es im Volksmund, auf Hochdeutsch Kuh-Bochum, zum Unterschied vom nahe gelegenen Dorf Alten-Bochum und mit ironischer Beziehung auf seinen vollständig dörflichen Charakter und Anstrich. In die nicht westfälische Außenwelt drang sein Name meist wohl erst, als die Köln-Mindener Eisenbahn auf ihrer Strecke Dortmund-Oberhausen das auf ihrem nächsten Weg liegende Städtchen zwar in großem Bogen umging, aber doch seinen Namen mit dem ihres nächsten Stations­dorfes zu der voll­klingenden Verbindung Herne-Bochum verschmolz. »Herne­bochum!« riefen die Schaffner in die Coupés und weckten im Reisenden, der nur ein wüstes, sumpfiges Gelände, von Herne wenig und von Bochum gar nichts sah, dunkle Anklänge an Czernebog und Melibocus.

Das Leben in dem kleinen Orte war, der Bedeutung desselben entsprechend, urwüchsig und patriarchalisch. Die Post kam täglich von Brünning­hausen und ebenso oft in entgegengesetzter Richtung von Essen. Über Hattingen-Reviges vermittelte eine zweite Linie den Anschluss an die große Berlin-Elberfeld-Kölner Route. In engen, schlecht gepflasterten Straßen standen kleine unansehnliche Häuser, meist von Fachwerk und mit Schindeln bekleidet, im Stil des Bergischen Landes erbaut; neben oder vor dem Haus lag der Misthaufen, von dem aus Geflügel und Kleinvieh ungehindert seine Ausflüge auf die benachbarte Straße unternahm. Die engen Fenster und niedrigen Stuben der Häuser standen in lächerlichem Gegensatze zu den durchweg kräftigen, stellenweise sogar kolossalen Figuren der Bewohner.

Die Umgebung der Stadt war nur mäßig kultiviert. Große Obst- und Küchengärten verrieten nur selten das Walten einer kundigen und schön­sinnigen Gärtnerhand; überaus schlechte Wege führten zu den kleinen Dorfschaften und ihren zerstreuten Höfen durch sumpfige, fieber­atmende Niederungen hindurch, an Teichen vorbei und über buschige Hügel und Flächen, wo das Reh sprang und das scheue Wasserhuhn neben der wilden Ente hauste. Auf den heide­bewachsenen unwirtlicheren Hochflächen huschte das wilde Kaninchen und nistete der Kiebitz. Zwei kleine Kohlengruben Friederica und Engelsburg, je eine Viertelstunde vor der Stadt gelegen und mit äußerst primitiven Einrichtungen ausgestattet, versorgten die Umgegend mit billigem Brennstoff; es waren Besitztümer von zweifelhaftem Wert, die ihr Anlagekapital nur sehr gering zu verzinsen vermochten, bei einem durchschnittlichen Kohlenpreise von anderthalb bis zwei Silbergroschen per Zentner.

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• Auf epilog.de am 12. Dezember 2025 veröffentlicht

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