Handel & Industrie – Fabrikation
Die Kerzenfabrikation sonst und jetzt
Das Neue Universum • 1882
Hast du noch die Lichtputze erlebt? Das jüngere Menschengeschlecht kennt kaum das scherenartige Instrument, das auf keinem Tische fehlte und mit dem in den feinen Familien so viel Luxus getrieben wurde. Es ist aus den Haushaltungen verschwunden und hat sich ein bescheidenes Plätzchen in den Museen gewählt, die von alten vergangenen Zeiten erzählen.
Ziehen der Lichter nach alter Methode.
An tausend Gegenständen des gewöhnlichen Lebens können wir die Fortschritte unserer Zeit in der Industrie und dem Komfort des Lebens erkennen, aber die Beleuchtungsapparate spielen unter diesen nicht die geringste Rolle. So groß der Unterschied ist zwischen einem brennenden Kienspan, der vor noch nicht langer Zeit die Spinnstuben beleuchtete, und der Petroleumlampe, so groß ist auch der zwischen der alten Unschlitt- oder Talgkerze und der jetzt überall bekannten und eingeführten Stearinkerze, diesem reinlichen weißen Zylinder, der mit einem hellen, weißen, glänzenden Licht brennt, dabei weder riecht noch tropft, der selbst bei dem heißesten Wetter seine Härte behält, der angegriffen werden kann, ohne dass man sich die Finger besudelt und fettig macht, und der brennt, ohne dass der Docht zeitweise mit der Lichtputze gekürzt werden muss. Auf der anderen Seite steht die alte Talgkerze mit ihrem gelben, wechselnden, oft trüben Licht, ihrem unangenehmen Geruch, ihrer Unreinlichkeit durchs Abtropfen und der fortwährenden Nötigung, von sorgsamer Hand mit der Lichtputze am langen, qualmenden und verkohlenden Docht in Ordnung gehalten zu werden.
Mehr als das erste Viertel des 19. Jahrhunderts steht noch auf dem Standpunkt der alten Talgkerzen. Die Wissenschaft hatte noch nicht die Aufgabe gelöst, aus dem Talg eine Substanz abzuscheiden, die ohne Geruch und mit hellem Licht vollständig verbrennt und alle vorzüglichen Eigenschaften in sich vereinigt, die wir jetzt an den Stearinkerzen kennen und hoch schätzen. Man kannte die chemische Konstitution der Fette nicht und so blieben die Fortschritte in der Beleuchtung durch viele Jahrhunderte nur äußerst gering.
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