Forschung & TechnikAntriebe & Motoren

Westinghouses elektrischer Motor für Straßenbahnen

Polytechnisches Journal • 8.5.1892

Der von der Westinghouse Electrie and Manufacturing Company gelieferte Motor für elektrische Straßenbahnen besitzt, wie die zugehörige Abbildung Fig. 1 erkennen lässt, den für Straßenbahnmotoren so notwendigen festen Bau; diese Motoren sind ja beständig einer ungewöhnlichen Abnutzung unterworfen. Außer Einfachheit, Festigkeit und vor allem Dauerhaftigkeit besitzt der Motor nichts besonders Neues.

Der Motor ist für einen Strom von 500 Volt Spannung berechnet; er besitzt Reihenwickelung und es sind in den Stromkreis des Ankers und der Feldmagnete noch eine Anzahl Ablenkungsrollen (diverter coils) eingeschaltet, welche beim Angehen des Wagens und auch zu Geschwindigkeitsänderungen benutzt werden. Der Motor ruht auf einem ein Ganzes bildenden eisernen Rahmen, worauf alle Lager angebracht sind; vor allem sollen ja die einzelnen mechanischen Bestandteile des Motors in der Lage beisammengehalten werden, in welche sie in der Fabrik der Gesellschaft gebracht worden sind.

Motor für StraßenbahnenFig. 1

Von demselben Rahmen werden auch die Feldmagnete getragen und diese sind so aufgehängt, dass der Anker in kurzer Zeit herausgenommen und durch einen anderen ersetzt werden kann. Ist der Motor auf dem Gestell und ebenso der Wagenkörper, so braucht man behufs Auswechselung des Ankers nur den Wagenboden zu öffnen und die Feldmagnete abzuhängen; dann kann der Anker in wenigen Sekunden herausgenommen werden. Mittels eines Hebezeuges, das in die Ölnäpfe des Rahmens passt, kann ein Mann jeden Teil des Motors herausnehmen.

Die Wickelung der Feldmagnetrollen ist eine höchst sorgfältige; sie sind wasserdicht, können durch Aufschieben auf die Kerne leicht ausgewechselt werden und werden durch Bronzeringe unbeweglich festgehalten.

Die Dauerhaftigkeit hängt besonders vom Bau des Ankers ab. In diesem Motor ist die Welle sehr schwer; sie besteht aus Stahl in wechselnder Dicke, am dicksten in der Mitte, nach den Enden hin abnehmend. Der Anker ist so gebaut, dass seine Teile nicht locker werden können.

Der Stromsammler besteht aus einer der Gesellschaft eigenen Legierung; er ist so gebaut, dass er nicht ausbrennen kann. Alle seine Teile werden fest zusammengehalten und so an der Ankerwelle befestigt, dass die Ankerdrähte nicht klappern oder abbrechen können.

Die Bürstenhalterstütze ist starr an dem Rahmen befestigt und ein Holzstab trägt die Bürstenhalterarme; dadurch wird ein Erzittern und Verschieben der Bürsten verhütet.

Motor für StraßenbahnenFig. 2

Das Räderwerk ist schwerer als sonst üblich. Die Zahnflächen sind breiter, damit sie der Abnutzung besser widerstehen können. Das Ankergetriebe und das Zwischenwellengetriebe sind aus Stahl, das Wagenachsen- und das Zwischenwellenrad aus Gusseisen. Ihre Naben sind kegelförmig ausgebohrt und ihre Achsen dementsprechend abgedreht; sie sind durch Keile miteinander verbunden. Eine kräftige Feder hinter zwei Schraubenmuttern erhält die Räder in ihrer Stellung. Dies verhütet, dass die Getriebe, welche sich stärker als die Achsen erwärmen, locker werden; denn die Feder schiebt ja dann die Getriebe auf der Achse nach.

Alle Teile des Motors werden durch durchgehende Bolzen zusammengehalten und federnde Unterlegscheiben verhindern ein Lockerwerden der Schraubenmuttern infolge des beständigen Rasselns und Schüttelns. Der Motor wird am Gestell durch zwei Federn getragen, welche die Beanspruchung der Querträger vermindern.

In Fig. 2 sind die Zahnräder nicht mit abgebildet. Sie werden von einer eisernen Büchse umschlossen, welche den von den Rädern verursachten Lärm verschlucken soll. Diese Büchse ist mit einer besonderen Schmierflüssigkeit gefüllt, welche die Reibung an den Zähnen vermindert und tatsächlich die Bewegung geräuschlos macht, während sie gleichzeitig die Dauerhaftigkeit erhöht.

Fig. 1 gibt einen Grundriss vom Gestell. Um eine Anhäufung von Staub auf den verschiedenen Teilen des Motors zu verhüten, ist eine Eisenblechpfanne unter der unteren Fläche des Motors angebracht worden und ein Segeltuchvorhang umschließt die Seiten des Motors. Die Stromzuführung ist die gewöhnliche oberirdische.

In Pittsburg laufen diese Motoren seit Anfang Juli 1890 auf den Straßen und sind sehr beliebt geworden, auch in Lansing werden sie in jeder Beziehung erfolgreich betrieben.

• Auf epilog.de am 30. Juli 2023 veröffentlicht

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