Berlin-Potsdamer Eisenbahn

Streckeneröffnung der
Berlin-Potsdamer-Eisenbahn

Vossische Zeitung • 21.9.1838

Die Eröffnung der Berlin-Potsdamer-Eisenbahn auf der Strecke von Potsdam nach Zehlendorf, hat heute unter den günstigsten Verhältnissen stattgefunden. In gewisser Beziehung ist dieses Ereignis, da es den Anfangspunkt der Benutzung der Eisenbahnen im preußischen Staat bildet, für diesen eines der wichtigsten des Jahrhunderts. In der Geschichte der Industrie wenigstens dürfte ihm keins an die Seite zu setzen sein.

Der Potsdamer Bahnhof, dessen schöne Gebäude noch nicht ganz vollendet sind, war mit einem interimistischen Aufbau versehen, welcher einen größeren Salon und zwei kleinere elegant eingerichtete Gemächer, als Versammlungsorte für die Abreisenden bei üblem Wetter, enthält.

Den Weg dahin hatte man mit Kränzen, Blumengewinden und Fahnen verziert. Schon vom frühen Morgen an bot die Gegend um den Bahnhof ein belebtes Schauspiel dar. Gegen die Mittagszeit aber waren Tausende von Zuschauern herbeigeströmt, welche auf der Brücke, in den ringsum gelegenen Gärten, Wiesen, Feldern und Wegen, sich in bunten Gruppen verteilt hatten, um der Abfahrt beizuwohnen. Es waren zu derselben über dreihundert Billetts ausgegeben worden, und sechzehn Wagen wurden von den beiden Lokomotiven ›Adler‹ und ›Pegasus‹ gezogen. Auf dem vordersten Wagen wehten Fahnen in den preußischen Farben und mit dem preußischen Adler geschmückt. Dieser und die Lokomotiven waren gleichfalls mit Laubgewinden geschmückt. Kurz vor zwölf Uhr wurde das Zeichen zum Einsteigen gegeben; auf dem ersten Wagen befand sich ein Musikchor und unter schmetterndem Hörner- und Trompetenklang und den Freudenschüssen aufgestellter Böller, setzte sich mit dem Schlag zwölf Uhr der Zug in Bewegung. Ein schneidendes Pfeifen gab das Signal zur Abfahrt. Sie begann in langsamem Tempo, wuchs aber mit jeder Sekunde, bis sie jene rapide Schnelligkeit erreicht hatte, wodurch die Eisenbahnen ihren so glänzenden Sieg über alle sonstigen Mittel des Fortkommens erfechten. Einige Reiter versuchten eine Zeit lang den Wagenzug zu begleiten, doch schon nach wenigen Minuten konnten die erschöpften Pferde nicht mehr in gleicher Schnelligkeit folgen. In nicht voll 22 Minuten war der Anhaltpunkt bei Zehlendorf, eine Strecke von 3850 Ruten [14,5 km], erreicht. Da in der Folge bei größerer Einübung der Leute gewiss die Fahrt sich noch beschleunigen lässt, überdies diese Station die größere ist, indem die folgende nur noch 3150 Ruten [11,8 km] beträgt, so wird der ganze Weg von Berlin nach Potsdam künftig bequem in 40 Minuten zurückgelegt werden.

Nach einem etwa halbstündigen Aufenthalt wurde die Rückfahrt nach Potsdam angetreten, welche der Berichterstatter jedoch nicht mitmachte. Die höheren Beamten der Regierungs- und städtischen Behörden in Potsdam waren zu der Fahrt eingeladen und hatten derselben zum größeren Teil beigewohnt. Mittags wird ein großes Gastmahl in Potsdam die Direktoren, viele Aktionäre und Ehrengäste vereinigen. Durch die zweckmäßigen Einrichtungen, welche seitens der Post-Behörde zur Beförderung nach Zehlendorf getroffen sind, so wie durch die Aufstellung der Kremser Fuhrwerke, wird es möglich sein, diese fertige Bahnstrecke schon jetzt, sowohl zu Vergnügungs-Fahrten wie zur Beschleunigung des Verkehrs zu benutzen. Zu den Ersteren ladet das schöne Herbst-Wetter noch ganz besonders ein. Der bei Zehlendorf durch Herrn Heinzelmann erbaute Salon, so wie das elegante von demselben eingerichtete Lokal in Potsdam nächst dem Bahnhofe, bieten den Spazierfahrern auch zugleich angenehme Aufenthaltsplätze dar, um die Zeit der Abfahrt abzuwarten.

Der glückliche Anfang ist gemacht; möge der Fortschritt in gleicher Weise erfolgen. Bald wird das Publikum es allgemeiner zu würdigen wissen, welche unschätzbare Wohltat demselben durch die Anlegung dieser Eisenbahn geworden ist, die nach ihrer Vollendung Berlin aus seiner ärmlichen Gegend gewissermaßen in die nahe Nachbarschaft der anmutigsten Umgebungen versetzen wird.

• L. Rellstab

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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