Handel & IndustrieLandwirtschaft

Neue Erfindungen und Kulturfortschritte

Die Sprengkultur in der
Land- und Forstwirtschaft

Von Max Wirth

Über Land und Meer • April 1878

Bei Gelegenheit von Vertilgungs­maßregeln gegen die Reblaus mittels Dynamit, welche vor einigen Jahren an der Weinbauschule zu Klosterneuburg angestellt worden sind, fasste Ministerialrat Wilhelm v. Hamm den Gedanken, das Dynamit auch zur Lockerung des Erdreichs für die Kultur zu verwenden. Die seitdem vorgenommenen Versuche haben erwiesen, dass Sprengungen mittelst Dynamit, wenn sie rationell vorgenommen werden, der Bodenkultur in vielen Fällen bedeutende Dienste leisten. Als Dynamit dient ein aus Kiesel­gur und Nitroglycerin gemischter Körper, welcher bei weitem nicht so leicht explodiert, als man in der letzten Zeit geglaubt hat. Die bisher angewandten Ackerbaumaschinen vermögen im besten Falle nicht tiefer als 0,75 m in den Boden zu dringen und die Kosten bei Rodung von Neuland und Waldboden mittels Menschenarbeit sind daher außerordentlich bedeutend. Gibt es doch sogar Kulturpflanzen, wie z. B. der Luzerner Klee oder die Rebe, welche durch den Rajol­pflug nicht ausgerodet werden können. Hamm hat sich nun die Fragen gestellt:

  1. Ist es möglich, durch Dynamitsprengung eine unterirdische Bodenlockerung herzustellen, welche den Zwecken der Bodenkultur entspricht?
  2. Steht der erforderliche Aufwand im richtigen Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen?

Zur Lösung dieser Fragen wurden zahlreiche kostspielige Versuche sowohl in Klosterneuburg als auf den fürstlich Colloredo-Mans­feldschen Gütern angestellt, welche folgendes Hauptresultat ergaben: Es zeigte sich, dass die Sprengkultur nur in festem, trockenem, möglichst widerstandsfähigem Untergrund mit Vorteil durchzuführen ist, also namentlich in felsigem Boden. - R E K L A M E - Schmiedekunst und Glockenguss In feuchtem, elastischem Untergrund, also z. B. in Lehmboden, wirken Sprengversuche nur schädlich, indem sie Kompressionen und Höhlen hervorbringen, statt zu lockern. Nach den bisherigen Erfahrungen lohnt sich die Sprengkultur zum Zweck der Vertilgung von Schmarotzern im Boden, zur Entfernung von Felsbänken im Acker, zur Öffnung von undurchlässigen steinigen Schichten, zur Vorbereitung für Erdaushebungen, zur Beseitigung von Baumstrünken und anderen Kulturhindernissen. Die Sprengkultur kann daher vorzügliche Dienste leisten bei der Herstellung von Gärten und Parkanlagen, von Obstpflanzungen und Weingärten und überhaupt bei allen Vorbereitungen zur Urbarmachung des Bodens. Als Ersatz für die eigentliche Tiefkultur kann sie aber nicht betrachtet werden. Bei der Forstwirtschaft dagegen ist die Sprengkultur der ausgedehntesten Anwendung fähig. Wir halten daher den Ausspruch des Erfinders für vollkommen gerechtfertigt, dass die Sprengkultur in der Zukunft vielleicht einen ebenso bedeutenden Einfluss auf die Landwirtschaft üben wird, als es der Dampfkraft trotz aller bisherigen Anfechtungen bereits gelungen ist.

• Auf epilog.de am 22. Dezember 2025 veröffentlicht

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