Handel & Industrie – Landwirtschaft
Ein vornehmer Pilz
Illustrirte Welt • Juli 1863
Wenn es sein Wohlleben gilt, kennt der Mensch keine Grenzen seiner Habgier, alles muss sich ihm zu Genuss geben. Auch dem Unscheinbarsten weiß er einen Reiz zu geben, einen Reiz abzugewinnen. So sollte man kaum glauben, auf welche verschiedenartigen Bereitungsarten der unscheinbaren Schwämme die Leckerhaftigkeit der Menschen oder der Erfindungsgeist der Köche gekommen. Sie werden gedämpft, gekocht, gebacken, geröstet und am Spieß gebraten. Man pökelt sie ein, und weiß sie mit Salz, Essig und Öl, oder auch bloß getrocknet, jahrelang brauchbar zu erhalten. In Ungarn pulverisiert man sogar die Schwämme, in Italien mischt man sie mit allerlei anderen Gewürzen, so dass der Geschmack der einzelnen ganz verloren geht. Wenn wir auch der berühmten Trüffel um der Achtung, in der sie bei den Gourmands steht, den Vorrang lassen müssen, so führt uns doch unsere besondere Liebhaberei für den Champignon auf diesen, und wir möchten aus egoistischen Gründen etwas zu seiner Verbreitung und zum Billiger werden desselben beitragen.
Der Champignon hat auf einem starken Strunk einen weißlichen Hut und wird oft sehr unförmig, schuppig, zottig und am Rande zerrissen gefunden. Seine anfangs weißlichen, von ungleicher Länge gegen den Stiel ablaufenden Blätter werden allmählich rotbraun. In der ersten Jugend tritt der Schwamm kugelförmig aus der Erde hervor. Er wächst auf Waiden, wohin das Vieh getrieben wird, in luftigen Eichenwäldern, in Gärten, wo fauler Mist umgegraben wird, oder auch auf Mistbeeten und alten Spargelfeldern. Wenn er noch jung und in der Größe einer Nuss ist, schmeckt er am besten. Sobald der Champignon die Kugelform völlig verlässt und sich ausbreitet, taugt er nicht mehr zum Essen, indem er dann bereits eine Herberge der Würmer geworden. Die beste Zeit sie zu sammeln ist August und September. Die Blättchen lassen sich leicht vom Fleisch trennen und werden, wenn man die Champignons isst, herausgenommen, ebenso wie man auch die äußere Haut abzieht. Sind sie aber klein, kugelig, so bleibt Beides daran. Auch den Stiel isst man an diesen.
Welche Ausdehnung die Champignonzucht, denn auf diese zielen wir ab, gewonnen, davon zeugt die statistische Zahl, dass auf dem Pariser Markt jährlich acht Millionen Körbchen verkauft werden, welche 1 600 000 Francs umsetzen. Man kultiviert sie in Frankreich an unterirdischen Orten; die Einen in wohlgelüfteten Kellern, die Andern in Steinbrüchen.
Die Champignonzucht. Zweierlei ist dabei von Wichtigkeit: die Zubereitung des Mistes und die Unterhaltung der Schober. Zu den Mistlagern nimmt man Pferde-, noch besser aber Esels- und Mauleselsmist. Die Streu muss mindestens eine Woche gelegen haben; dann aber soll man jeden schmutzigen Strohhalm herausnehmen. Daraus bildet man Lagen von 90 cm Breite und 60 cm Höhe, und lässt diese, nachdem sie festgestampft, vierzehn Tage ruhen. Nur wenn die Temperatur sehr warm und trocken, feuchtet man die Haufen an. Dann werden die Lagen wieder aufgerissen und durch einander gewühlt und wieder acht Tage zugewartet. Sobald man Wasser sieht, ist der Prozess noch nicht vollendet. Endlich werden neue Lagen in Form eines runden Daches gebildet, wie die Abbildung zeigt, und festgestampft und mit der Schaufel geschlagen. Diese Schober würden von selbst Champignons hervorbringen, aber man bedeckt sie doch in kurzen Zwischenräumen mit Champignonweiß, einer weißen Substanz, die man auf den alten erschöpften Schober findet. Hat man das nicht, so genügt auch das Zerschneiden von frischen Champignons, die man mit Wasser vermischt und auf die Schober gießt. Die Erzeugungskraft eines Schobers dauert gewöhnlich zwei bis drei Monate, dann stirbt er ab. Man sieht wie billig man sich einen reichen Gewinn verschaffen, und wie leicht man unserem Genuss eine große Freude bereiten kann.
• Rax Rosen.