Forschung & TechnikWissenschaft

Die wilde Kartoffel

Pfennig Magazin • 27.2.1841

Über die Heimat der Kartoffel (sowie der meisten zur Nahrung des Menschen dienenden Gewächse) sind wir noch ziemlich im Dunkeln, obgleich so viel ausgemacht ist, dass sie aus Amerika stammt. Humboldt glaubt, dass sie von einer früher unter dem Namen Maglia vorkommenden Pflanze herstammt, die in Chile wildwachsend gefunden wird. Von den Urbewohnern dieser Länder wurde sie nach ihm über Peru, Quito, Neugranada und die Kordillerenkette von 40° – 5° südl. Breite verbreitet. Bei Ankunft der Spanier in Mexiko scheint sie daselbst nicht bekannt gewesen zu sein, hingegen sollen die 1584 nach Virginia geschickten Kolonisten sie dort angetroffen haben. Pöppig und andere Gelehrte sind gleichfalls der Meinung, dass diese Pflanze in Chile wild gefunden werde. Nach ihm ist sie eine Seestrandpflanze, die sich nicht mehr als 10 km von der See entfernt und nicht mehr als 130 m über den Meeresspiegel erhebt. Am häufigsten findet sie sich an steilen Abhängen und kleinen Vorsprüngen hoher Felsen; am üppigsten gedeiht sie in lehmigen Abstürzen oder Felsenspalten, die der Seeluft ausgesetzt sind. Die Chilenen nennen die wilde Kartoffel Papa cimnronn, weil sie nur sehr kleine und bitterliche Wurzelknollen trägt.

Auf den Chonos-Inseln ist nach neueren Entdeckungen eine andere wilde Kartoffel zu Hause, die mit der zahmen noch weit mehr als die von Pöppig beschriebene übereinstimmt. Sie wächst ebenfalls am Meeresstrand, und zwar in dichten Haufen aus sandigem, muschelreichem Boden, blüht gegen Mitte Januars und trägt nur wenig Wurzelknollen. Die Frucht hat mit der zahmen Kartoffel gleichen Geruch, ist nicht bitter, schrumpft aber beim Kochen stark zusammen und wird wässerig und geschmacklos; sie kann ohne alle Gefahr gegessen werden. Man trifft diese Pflanze, deren Stängel etwa 1,5 m hoch wird und deren eirunde Frucht höchstens 5 cm im Durchmesser hat, über den ganzen Archipel selbst auf vereinzelten Felsen an, außerdem auch aus der gegenüberliegenden Küste des festen Landes bis nach Trinidad hinab unter 50° Breite, wo die Einwohner sie ›Aquina‹ nennen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist nicht die vorhin genannte Maglia, sondern die Aquina die Mutter der zahmen Kartoffel, weil sie essbare Knollen liefert, während die erstere im nördlichen Chile ausgeartet ist. Beide Pflanzen sind übrigens wohl nur Spielarten derselben Spezies. Hiernach wäre das eigentliche Vaterland der Kartoffel südlich vom 42. Breitengrade zu suchen, wo die Luft sehr feucht, das Wetter fast immer stürmisch ist und sehr viel Regen fällt, sowie auch die zahme Kartoffel in feuchten Ländern besser alt in trockenen gedeiht.

• Auf epilog.de am 27. Mai 2017 veröffentlicht

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