Forschung & TechnikWissenschaft

Antarktis-Expedition endet

Polarstern kehrt mit wertvoller Fracht
nach Bremerhaven zurück

tvi.ticker • 13. April 2017

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Das Forschungsschiff Polarstern wird am 20. April 2017 mit dem Morgenhochwasser in seinem Heimathafen zurückerwartet. Damit gehen gut fünf Monate Antarktis-Saison für den Eisbrecher zu Ende. Geowissenschaftler warten gespannt in Bremerhaven auf ihre Proben, die sie im Februar und März auf einer sechswöchigen Fahrt im antarktischen Amundsenmeer gewonnen hatten. PolarsternAlfred-Wegener-Institut/Thomas Ronge Sie sollen helfen, die Vereisungsgeschichte der Westantarktis zu entschlüsseln und die Prognosen für den zukünftigen Meeresspiegelanstieg zu verbessern.

Vermutlich bis zu 70 Millionen Jahre alt sind die ältesten Meeressedimente, die Expeditionsteilnehmer aus dem Meeresboden gezogen haben. Wir haben zum ersten Mal Sedimentgestein aus der Zeit vor der ersten großen Vereisung der Antarktis in diesem Teil der Westantarktis erbohrt, berichtet Dr. Karsten Gohl stolz. Der Geophysiker vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) war der wissenschaftliche Fahrtleiter der Expedition ins antarktische Amundsenmeer. Seine Aufgabe war es, den Einsatz des Bohrgeräts, der Sedimentlote, der seismischen und aeromagnetischen Messverfahren, der geothermischen Temperatursonde und der bathymetrischen und sedimentechographischen Kartierungen so zu koordinieren, dass alle Fahrtteilnehmer mit Proben und Daten versorgt waren. Zusätzlich brachten die Bordhelikopter Wissenschaftler auf nahegelegene Inseln und das antarktische Festland, damit sie dort Gesteinsproben nehmen und geodätische Messpunkte verorten konnten.

Das besondere Highlight war der erstmalige Einsatz des Meeresboden-Bohrgeräts MeBo70 des MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Wir konnten bei elf Bohrungen mit dem MeBo bis zu 36 m tief in den Meeresboden bohren, berichtet Karsten Gohl begeistert. SedimentkerneAlfred-Wegener-Institut/Thomas RongeBearbeitung der MeBo Sedimentkerne im Geolabor. Damit das Gerät Bohrkerne von Sedimenten ziehen konnte, die aus vergangenen Zeiten bis vor 70 Millionen Jahren abgelagert wurden, wird es von Bord der Polarstern an einem Spezialkabel zum Meeresgrund herabgelassen. Über das Kabel steuert das MeBo-Team die Probennahme, bei der das rotierende Bohrgestänge, das immer wieder aus einem Magazin verlängert wird, nach und nach tiefere Sedimentschichten abteuft. Die Verbindung mit dem Schiff bedingt, dass die Polarstern sehr genau auf Position bleiben muss. Nur etwa 10 m seitlich und 20 m nach vorn oder hinten darf sie sich bewegen, damit das MeBo in bis zu 1000 m Wassertiefe sicher arbeiten kann.

Die besondere Herausforderung dabei: Im Untersuchungsgebiet waren während der Expedition sehr viele Eisberge unterschiedlichster Größe unterwegs, und solchen Kolossen muss auch ein Eisbrecher wie die Polarstern ausweichen. Gemeinsam mit Kapitän Stefan Schwarze und seiner Crew haben wir Wissenschaftler versucht, aus Satellitenbildern, Wetterberichten, Strömungsmessungen und der direkten Beobachtung vorherzusehen, wie die Eisberge driften, berichtet Fahrtleiter Gohl. Dass sie dabei erfolgreich waren, zeigen die 57 m Sedimentkerne, die sie jetzt in Bremerhaven von Bord holen werden. Ob die Proben und Daten ausreichen, die Fragen der Eisschildentwicklung im Amundsenmeer beantworten zu können, wird sich erst nach eingehenden Analysen in den Laboren der Heimatinstitute herausstellen. Meeresboden-BohrgerätAlfred-Wegener-Institut/Thomas RongeMeeresboden-Bohrgerät MARUM MeBo70, das auf der Polarstern-Expedition PS104 erstmalig in der Antarktis zum Einsatz kommt. Gute Anhaltspunkte dafür haben wir bereits in einer ersten Sichtung der Proben und Daten hier an Bord gewonnen. So wissen wir, dass wir zum ersten Mal in diesem Teil der Westantarktis Sedimentgestein erbohrt haben, das etwa 70 bis 50 Millionen Jahre alt ist. Die Sedimente stammen aus einer sehr warmen Epoche aus der Zeit vor der ersten großen Vereisung der Antarktis, sagt Karsten Gohl. Weitere Bohrkerne enthalten Sedimentmaterial aus den jüngsten Ablagerungen von Schmelzwassereinträgen des Pine-Island-Gletschers, abwechselnd mit Ablagerungen aus der Wassersäule. Diese helfen, das Alter der Ablagerungsprozesse und Abschmelzgeschichte des Gletschers genauer zu bestimmen.

Die wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer der Amundsenmeer-Expedition sind bereits vor ihren Proben in ihren Heimatinstituten angekommen: Die Antarktis-Fahrt endete Mitte März in Punta Arenas, Chile. Von der Südspitze Südamerikas aus hat das Forschungsschiff Polarstern vor einem Monat die rund vierwöchige Rückreise quer über den Atlantik begonnen. Auf diesem Transit laufen luftchemische und physikalische Untersuchungen sowie Atmosphärenforschung. In Las Palmas ist dann eine Gruppe von Studierenden und Betreuern zugestiegen, die ein Trainingsprogramm zu hydroakustischen Messungen durchführen.

• Quelle:  Alfred-Wegener-Institut

• Auf epilog.de am 16. April 2017 veröffentlicht

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