Berliner Bauwerke

Das physikalische Institut der
kgl. Universität zu Berlin

Über Land und Meer • November 1877

Die neueren Entdeckungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten so große Fortschritte gemacht, dass die Anforderungen, welche das Studium sowohl wie das Dozieren derselben und die Möglichkeit weiterer Forschungen an die räumliche Ausdehnung der Arbeits- und Hörsäle, der Versuchszimmer und Sammlungs­räume und die eigenartigen Einrichtungen in denselben stellte, in dem immerhin gewaltigen Gebäude der königlichen Universität nicht mehr Genüge geleistet werden konnte. Es entstanden daher eine Anzahl von besonderen Instituten der Universität (chemisches Laboratorium, physiologisches Institut), unter ihnen das physikalische Institut, welches mit dem physiologischen Institut fast gleichzeitig auf dem Grundstück der früheren Artilleriewerkstätte, zwischen der Dorotheenstraße und der Spree einerseits und der Neuen Wilhelmstraße und Schlachtgasse andererseits gelegen, erbaut wurde.

Das physikalische Institut ist ein Gebäude von 70 m Länge und 25 m Tiefe, in hohem Kellergeschoss und drei Stockwerken errichtet, an dessen rechten Flügel sich das Wohngebäude des Direktors Professor Helmholtz anschließt und dessen linker Flügel, in der Architektur diesem entsprechend, ein später zu errichtendes chemisches Institut bilden wird. Die Fassaden sind in Ziegelrohbau in mustergültig sorgfältiger Ausführung und vorzüglichem Material (Gurtgesimse aus Sandstein, Plinthe aus belgischem Granit), unter Anwendung reicher Terrakotten und farbiger Plattenfriese hergestellt und zeigen sowohl in der Gliederung als in der künstlerischen Behandlung der Details vieles Eigenartige. In der gegen die Spree gerichteten Nordfront liegt der Haupteingang, der durch drei mächtige Bogenöffnungen in das geräumige säulen­getragene Vestibül führt, welches durch eine gusseiserne Treppe, in mächtigem Raum gelegen, mit dem großen Auditorium verbunden ist. Letzteres, durch zwei Stockwerke reichend, zeigt amphi­theatra­lisch ansteigende Sitze und eine rings umher­laufende Galerie in Fußbodenhöhe des zweiten Stockwerks, so dass im Ganzen 200 Zuhörer den Vorlesungen beiwohnen können.

Durch zehn mächtige Fensteröffnungen, in zwei Reihen übereinander in der Südwand im Verein mit fünf den oberen Fenstern entsprechenden Glaswänden in der Nordwand, welche eine geschlossene schmale Halle von der Galerie des Auditoriums trennen, wird dem reich ausgestatteten Raum Licht zugeführt, doch können für gewisse optische und elektrische Versuche sämtliche Lichtöffnungen durch eiserne Rolljalousien in außerordentlich kurzer Zeit gleichzeitig verdunkelt werden, so dass völlige Finsternis im Raum herrscht. Bei Abendvorlesungen wird der einen Würfel von 13 m Seite bildende Saal von vier in die Kassettendecke eingelassenen Sonnenbrennern erleuchtet. Außerdem enthält das Gebäude noch ein kleines Auditorium zu 40 Plätzen mit ähnlicher Einrichtung. Jedes Auditorium steht mit einem Vorbereitungszimmer und einer Batteriekammer in Verbindung.

Im Erdgeschoss liegen außer Arbeitsräumen verschiedener Bestimmung die Bibliothek und Assistenten­wohnungen und zwei Anbauten an der Südfront, die außer seitlichem auch Oberlicht erhalten haben, dienen für Präzisionsarbeiten und enthalten eine Anzahl von Isolierpfeilern, welche bei den Versuchen die Übertragung von Erschütterungen des Gebäudes durch vorüberfahrendes Fuhrwerk, respektive auch die unvermeidlichen leichtesten Schwankungen des Fußbodens bei der Bewegung der Arbeitenden abhalten sollen. Um diese Erschütterungen auf das Möglichste zu beschränken, ist außerdem das ganze Grundstück durch eine gesondert fundierte Futtermauer und einen schmalen Graben zwischen dieser und den Gebäudemauern von den Straßen getrennt.

Das erste Stockwerk enthält außer dem großen und kleinen Auditorium, den Vorbereitungszimmern und Batteriekammern hauptsächlich Sammlungs­räume für Instrumente etc. Das zweite Geschoss Arbeitssäle für Akustik, Optik, Elektrizität etc. Drei optische Zimmer und eine fotografische Kammer liegen in einem Ausbau des Dachgeschosses nach Süden gerichtet. Ein hydraulischer Aufzug verbindet das Erdgeschoss mit dem ersten und zweiten Stockwerk; in den meisten Arbeitsräumen sind Wellenleitungen mit Riemenscheiben an den Wänden angebracht, die durch eine geräuschlos arbeitende Gaskraftmaschine getrieben werden. Eine zweite derartige Maschine ist im Keller aufgestellt und hat die Bestimmung, den Ventilator zu bewegen, der frische Luft in die verschiedenen Räume des Gebäudes treibt, das erwärmt wird durch Luftheizung, und für die Abteilungen, welche konstante Temperatur haben müssen, durch eine kombinierte Dampfwasserheizung.

Das Gebäude ist nach den Plänen des Regierungsbaurats Spiecker ausgeführt und kostet etwa 1 500 000 Mark. Die Fundierung war des nahen Spree­bettes wegen eine schwierige und erfolgte größtenteils auf Pfahlrost, respektive Brunnen.

eBook-Tipp:
Das Central-Hotel am Bahnhof Friedrichstraße war bei der Eröffnung 1881 Berlins größtes und modernstes Hotel. Der Architekt Hermann von der Hude schildert hier das Bauvorhaben.
eBook € 0,99 | eISBN: 978-3-7568-5134-8

• Auf epilog.de am 14. Dezember 2025 veröffentlicht

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