Handel & Industrie – Maschinenbau
Ein Pflug-Automobil für
direkten und Seilbetrieb
Verkehrstechnische Woche • 10.12.1910
Die von A. Bajac in Liancourt konstruierte Traktor-Winde ist ein sowohl für direkten wie für Seilbetrieb geeignetes Pflug-Automobil. Es besteht aus einem starken Wagenrahmen aus Profileisen, auf dem ein 25 PS-Motor für Benzin- oder Benzolbetrieb mit allem Zubehör aufgesetzt ist. Dieser Motor betreibt nach Belieben die Hinterräder des Wagens (zu dessen Fortbewegung), eine Winde zum Antrieb des Pfluges (durch Drahtseil-Übertragung) oder schließlich eine Riemenscheibe zur Betätigung anderer landwirtschaftlicher Maschinen.
Der abgefederte Wagenrahmen ruht auf vier Rädern; die Vorderräder besitzen 1 m und die Hinterräder 1,30 m Durchmesser. Letztere sind mit Winkeleisen versehen, die die Adhäsion des Wagens verstärken und bei direktem Pflugbetrieb auf weichem Boden jedes Ausgleiten verhindern.
Die Traktor-Winde dient daher einem doppelten Zwecke: sie arbeitet, wenn Beschaffenheit des Bodens und Art der Arbeit es gestatten, als Traktor, während sie sonst als Winde benutzt wird und einen Kipppflug durch ein 200 m langes Drahtseil folgendermaßen betätigt:
Auf einem 1000 – 1200 m langem Feld geht der Wagen mit eigener Kraft vor, bis das Drahtseil auf 200 m Länge abgewickelt ist. Dann wird der Wagen festgestellt und zieht jetzt den Pflug mit dem Drahtseil an sich heran, wobei je nach der Anzahl der Pflugscharen eine oder mehr Furchen entstehen. Sobald der Pflug an den Wagen herangekommen ist, geht dieser mit beträchtlicher Geschwindigkeit um weitere 200 m vor, um dann wieder mit der Betätigung des Pfluges zu beginnen usw., bis die ganze Länge des Feldes gepflügt ist. Am Ende des Feldes angelangt, wendet der Wagen – unter evtl. Verwendung des Rückwärtslaufes – leicht um und geht dann unter ähnlichen Arbeitsverhältnissen wieder zurück.
Die Traktorwinde ist mit selbsttätigen Unterlegekeilen versehen, die im hinteren Teile des Wagens an kräftigen Federn hängen. Sobald der Wagen angehalten wird, werden die Federn (mittels des Motors) zusammengedrückt und lassen die Keile los, so dass diese durch ihr eigenes Gewicht herabfallen, die Hinterräder stützen und daher das ganze Fahrzeug feststellen, so dass dieses den Betrieb mit Drahtseil-Übertragung aufnehmen kann. Sobald der Wagen dann weitergeht, lassen die Unterlegekeile die Räder wieder los und kehren unter der Einwirkung der Federn in ihre ursprüngliche Lage zurück. Für das Fahren auf der Landstraße sind die Hinterräder mit einem abnehmbaren, schmalen, glatten Radreifen versehen.
Der beschriebene Traktor eignet sich vorzüglich für schnelles Pflügen von Feldern, Weingärten und Pflanzungen verschiedenster Art. Er ist mit drei Geschwindigkeiten (15 km/h Meistgeschwindigkeit) und einem Rückwärtslauf versehen, der beim schnellen Wenden zur Verwendung gelangt. Bei der Benutzung als Winde werden je nach den Betriebsverhältnissen Drahtseil-Geschwindigkeiten von 60 – 100 cm in der Sekunde erreicht.
Im Lauf des Septembers wurden auf dem Gut von Chambaud in Avrigny (Oise) in tonhaltigem Kieselboden folgende Versuche gemacht: Ein 1100 kg schwerer Kipp-Pflug mit drei Pflugscharen wurde auf einer Fläche von 2,5 ha betätigt und diese in der Zeit von 10 Stunden auf 20 cm Tiefe gepflügt, wobei 60 l Benzol und 4,30 l Öl verbraucht wurden. Ferner wurde mit einem 1000 kg schweren Kipppflug mit zwei Pflugscharen eine Fläche von 1,30 ha auf 35 – 38 cm Tiefe gepflügt, wobei 57 l Benzol und 4,25 l Öl verbraucht wurden
Zum Betrieb waren hierbei nur zwei Leute, nämlich der Lenker des Traktors und der des Pfluges erforderlich. Da der Benzinbehälter 100 l Inhalt besitzt, war ein Nachfüllen während des Tages nicht erforderlich.
• Dr. Alfred Gradenwitz