Handel & IndustrieMaschinenbau

Kartoffel- und Rübenernte mittels Maschinen

Die Welt der Technik • 15.2.1907

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

Die zur Rüben- und Kartoffelernte dienenden maschinellen Mittel müssen so viel verschiedenartige große Schwierigkeiten und so große Leistungen überwinden, dass es kaum von einer leblosen Maschine verlangt werden kann, dass sie allen den an sie gestellten Anforderungen gerecht wird. Bedenkt man nur die Eigenschaften der verschiedenen Bodenarten, von dem leicht beweglichen und leicht zu bearbeitenden sandigen Boden bis zum festzusammenhängenden Lehm, die dieselbe arme Maschine in ganz trockenem, staubigem, in ganz nassem, ja wohl gar in gefrorenem Zustande bewältigen soll, an die großen und kleinen Steine im Boden, an die ausgebreitete Lage, an die verschiedene Tiefe und die oft stark aus der Zeile abweichende Richtung, in welcher die Kartoffeln in der Erde sich befinden; an die Größe der zu bewältigenden Erdmassen, an die Menge und das Gewicht der zu erntenden Kartoffeln, die sich auf 8 – 55 t für den Hektar beläuft, an das einen Kartoffelerntemaschinenbauer zur Verzweiflung bringende hohe, sehr lange frisch bleibende oder welk gewordene Kartoffelkraut und die gleichfalls fürchterlichen Unkräuter, besonders die strickartigen Knöterichpflanzen, die die besten, aber leider unbeabsichtigten Bremsvorrichtungen abgeben, an die Forderung, dass die Kartoffeln ganz rein, womöglich gewaschen und sortiert, ohne Steine und Erdklöße in Säcke oder Körbe aufgefangen werden sollen usw. usw., so erklärt es sich, dass wir mit der Lösung der maschinellen Kartoffelernte noch nicht weiter gekommen sind.

Es ist kein Wunder, dass an der Lösung dieser schwierigen Aufgabe fortgesetzt von Berufenen und noch mehr von Unberufenen gearbeitet wird, ja, dass die Fantasie hierbei die wunderbarsten, und leider auch oft sehr kostspieligen Blüten treibt. Um nun aber bei der so ernsten Wirklichkeit zu bleiben, wollen wir die Anforderungen hier mitteilen, welche von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft als genügende für eine brauchbare Kartoffelerntemaschine bezeichnet werden. Die Maschine muss nach diesen von einer Seite des Feldes ab nebeneinander Reihe für Reihe die Kartoffeln hin und her ausnehmen; sie muss, mit zwei starken Pferden bespannt, die Kartoffeln rein herausbringen, getrennt von Kraut und Erde auf einen möglichst schmalen Streifen (höchstens 22 cm) dicht zusammenlegen, und zwar so weit von der nächsten auszunehmenden Reihe, dass weder die Räder der Maschine noch die Hufe der Pferde die ausgenommenen Kartoffeln beschädigen. Unter dem reinen Ausnehmen ist dabei verstanden, dass höchstens nur etwa 5 % der geernteten Knollen in der Erde verbleiben dürfen.

Wir können hier natürlich nicht näher darauf eingehen, welche Mittel alle zur Lösung der vorliegenden Aufgabe schon vorgeschlagen worden sind, obwohl hierdurch das teilnehmende Interesse der Leser vielleicht geweckt werden würde, aber dazu fehlt uns leider der Raum, wir können nur diejenige Maschinenart kurz erwähnen, die sich zurzeit am meisten eingeführt hat, nämlich die sogenannte Graf Münstersche Maschine mit Schleuderrad; im Allgemeinen herrschen aber noch auf den Kartoffelfeldern zur Zeit der Ernte die einfachen, pflugartigen Geräte, sogar der alte schlesische Haken.

Graf Münstersche KartoffelerntemaschineAbb. 1. Graf Münstersche Kartoffelerntemaschine von Groß & Co. in Leipzig-Eutritzsch.

In Abb. 1 ist eine derartige Maschine mit Schleuderrad (von Groß & Co. in Leipzig-Eutritzsch) dargestellt. Durch den Handhebel wird der flach muldenförmige Aushebkörper in die Erde unter die Kartoffelstöcke eingelassen, wobei dann der Antrieb des Schleuderrades selbsttätig eingerückt wird; ebenso geschieht das Ausrücken beim Ausheben der Maschine selbsttätig. Damit die Kartoffeln nicht zu weit fliegen, ist ein Auffangnetz vorgesehen, das hier als eine auf der Erde rollende runde Scheibe ausgebildet ist; die meiste Erde kann dabei durch das Sieb weiterfliegen. Diese Bauart wirft nur immer nach der einen Seite der Maschine. Bei denjenigen Maschinen, welche nach obiger Forderung immer nach derselben Seite des Feldes werfen sollen, ist eine Umkehrung der Bewegungsrichtung des Schleuderrades und eventuell ein Umlegen des Auffangsiebes erforderlich.

Aus Amerika kam der Vorschlag, auch auf Kartoffelerntemaschinen einen Antriebsmotor zu setzen. Ob aber bei den hier auftretenden Widerständen ein regelrechter Betrieb möglich sein wird, ist mindestens zu bezweifeln, da schon bei den durch Gespanne gezogenen Maschinen an den Rädern hohe Knaggen notwendig sind, um ein Rutschen der Räder auf dem Boden zu verhüten.

Günstiger steht es mit der Rübenernte durch Maschinen. Da diese Ernte noch später fällt, muss die Frostgefahr noch mehr gefürchtet werden, es handelt sich also darum, die kurze, zur Verfügung stehende Zeit auszunutzen und die großen Rübenfelder möglichst schnell abzuernten. Man tut dies meist derart, dass zwar die Rüben aus der Erde gelöst und angehoben, aber wieder lose in ihr früheres Lager fallengelassen werden, damit sie vor plötzlich eintretendem Nachtfrost geschützt sind. Da die Rüben stets durch Dibbelmaschinen in geraden Reihen ausgesät werden, ist es im Allgemeinen nur nötig, die Aushebkörper möglichst sorgfältig diesen Reihen nach zu führen, wozu eine gut wirkende Steuerung der Maschine erforderlich ist. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass beim Ausheben der Boden nicht zu sehr aufgewählt wird und möglichst wenig Schollen gebildet werden, die Rüben möglichst unverletzt bleiben und die Zugkraft möglichst gering ist.

RübenheberAbb. 2. Rübenheber von H. Laass & Co. in Magdeburg-Neustadt.

Im Bau von Rübenerntemaschinen hat sich eine deutsche Firma, H. Laass & Co. in Magdeburg-Neustadt, besonders hervorgetan, sie ist schon mehrfach von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft ausgezeichnet worden. Abb. 2 zeigt den Rübenheber dieser Firma in seiner neuesten Konstruktion. Man sieht der kräftigen Ausführung schon an, welche schwere Arbeit die Maschine leisten muss. Durch das hinten befindliche Handrad und die nach vorn gehende Welle dreht der hinter der Maschine gehende Arbeiter das vordere Lenkrad und steuert dadurch die Maschine derart, dass jeder der beiden Aushebkörper an einer Rübenreihe entlang läuft. Diese Körper bestehen aus je zwei einander gegenüberliegenden, vorn tiefer und weiter auseinander stehenden und nach hinten sich nähernden und ansteigenden runden Keilen, welche, eine Gabel bildend, unter die Rüben fahren und diese zwischen sich nehmen, so dass die Rüben mit ihrem oberen, dicker werdenden Teil sich auf den vorderen Gabelteil aufsetzen, beim Vorwärtsgehen der Maschine in dem ansteigenden, immer enger werdenden Zwischenraum zwischen den beiden Keilen sich hinaufschieben, bis sie am Ende der Gabel zwar senkrecht aus der Erde gehoben werden, aber beim Freiwerden wieder in ihr altes Bett zurückfallen können. Von hier können dann die Sammler die lose liegenden Rüben leicht aufheben und schnell in Behälter sammeln. Sowohl die Gabeln als auch die einzelnen Keile lassen sich in dem starken Rahmen in ihrer gegenseitigen Stellung entsprechend der Rübenentfernung und -dicke einstellen. Der Rahmen kann durch die rechts befindliche Kurbel und die Ketten gehoben und gesenkt und außerdem können die Gabeln in dem Rahmen in der Höhe verstellt werden, so dass auch den verschiedenen Rübenlängen Rechnung getragen werden kann oder die Werkzeuge für den Transport ganz hochgehoben werden können. Damit das Kraut und das Unkraut sich nicht an den Gabelstielen festsetzen können, sind die neben den letzteren hin- und herschwingenden Reiniger vorgesehen. Zur Arbeit sind vier Zugtiere erforderlich. Es können mit einer solchen Maschine 6 – 8 Morgen täglich abgeerntet werden.

• Auf epilog.de am 18. April 2024 veröffentlicht

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