Verkehr – Transport
Personenaufzug mit stetigem Betrieb
Zentralblatt der Bauverwaltung • 13.2.1886
Seit einigen Jahren ist in mehreren großen Häusern der City von London, deren Räume bis zum fünften oder sechsten Geschoss von zahlreichen kaufmännischen Geschäften benutzt werden, sowie auch in einigen Häusern in Glasgow, ein ununterbrochen bewegter Personenaufzug (Cyclic Elevator) nach Harts Patent im Betrieb, dessen Bauart durch das beifolgende Bruchstück erläutert wird.

Eine Gliederkette ohne Ende aus Stahl legt sich um zwei Kettenscheiben von 1,3 m Durchmesser, welche sich im Dach- und im Kellergeschoss übereinander befinden; eine der beiden Scheiben wird durch eine passend aufgestellte 4 PS-Dampfmaschine ununterbrochen bewegt. An der Kette sind eine Anzahl von Fahrstühlen in ähnlicher Weise befestigt, wie die Eimer an der Kette eines senkrechten Schöpfwerks oder Baggers, mit dem der Aufzug überhaupt die größte Ähnlichkeit hat. Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Fahrstühle nicht an der Außenseite des durch die Kette gebildeten Ringes, sondern einseitig neben demselben, und zwar so angebracht sind, dass sie immer in senkrechter Lage bleiben müssen. Das obere Ende eines jeden Fahrstuhls ist nämlich an der Vorderfläche der Kette mittels eines Stahlbolzens befestigt; nur dieser nimmt beim Umlauf um die Kettenscheiben an der Drehbewegung teil, während der Schwerpunkt des Fahrstuhls stets senkrecht unter dem Aufhängebolzen bleibt. Ferner ist noch durch besondere, an den unteren Enden der Fahrstühle befindliche Führungsrollen und im Aufzugsschacht angebrachte, oben und unten kreisförmig verlaufende Bahnen dafür gesorgt, dass ein Kippen der Fahrstühle nicht stattfinden kann. Sollte also eine Person aus Versehen oder Ungeschicklichkeit selbst beim obersten Geschoss nicht aussteigen, so wird sie nicht, wie beim Bagger ›ausgeschüttet‹, sondern gelangt unversehrt durch das Dachgeschoss und wird mit dem abwärtsgehenden Teile des Aufzugs wieder heruntergelassen.
Die Fahrstühle sind etwa 0,75 m tief, 1 m breit und in Abständen von etwa 3,4 m an der Kette befestigt. Die Geschwindigkeit der letzteren beträgt 0,2 m/s, so dass ein Fahrstuhl in Zwischenräumen von 17 Sekunden vor den Fußböden der sämtlichen Geschosse erscheint und die Zeit des Abwartens der Einsteigegelegenheit sich durchschnittlich auf nur 8 – 9 Sekunden beläuft. Um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern, sind Handgriffe sowohl im Inneren der hölzernen Fahrstühle als auch an den die Schächte begrenzenden Wänden angebracht; die ersteren werden von weniger geübten Personen beim Einsteigen, die letzteren beim Aussteigen benutzt. Hierzu ist keine größere Geschicklichkeit erforderlich, als etwa zum Besteigen und Verlassen der Plattform eines langsam fahrenden Pferdebahnwagens. Es benutzen deshalb die nach vielen Hunderten, ja nach Tausenden zählenden Geschäftsleute, welche in den oberen Geschossen der erwähnten Häuser zu tun haben, diese Aufzüge ohne irgendwelche Schwierigkeit und fast ausnahmslos. Ein Wärter ist nur für die Dampfmaschine vorhanden, die vielfach noch zu sonstigen Zwecken, z. B. zum Betrieb kleiner mechanischer Werkstätten, zum Wasserpumpen u. dgl. m. benutzt wird. Der Bedarf an Kohlen für den Betrieb des Aufzuges wird von der Fabrik zu 2 t für den Monat angegeben (?).
Irgendwelche Sicherheitsvorrichtungen sind nicht vorhanden; man hat sich damit begnügt, die Glieder der Stahlkette, die Bolzen, an denen die Fahrstühle befestigt sind, sowie die Kettenscheiben so stark zu machen, dass die Gefahr eines Bruches dieser Teile ausgeschlossen erscheint. Nach eingezogenen Erkundigungen sind derartige Brüche oder sonstige erhebliche Beschädigungen des Apparats selbst auch noch nicht vorgekommen. Der Aufzug dürfte deshalb unbedenklich überall da anzuwenden sein, wo der Zeitverlust sehr in die Waagschale fällt, welcher mit der Benutzung der bisher gebräuchlichen Anordnungen immer verknüpft ist und oft zur Folge hat, dass die Mehrzahl der Personen die Treppen benutzt, was für den Abstieg wohl sogar die Regel bildet. Der neue Aufzug scheint sich besonders gut für solche viel besuchte, hohe Gebäude zu eignen, in denen hauptsächlich Männer verkehren, während er im Allgemeinen für Gasthöfe weniger zweckmäßig sein wird, wenn man nicht etwa bei sehr lebhaftem Verkehr neben dem gewöhnlichen Aufzug das beschriebene Hebewerk einrichten will. Für die Londoner Verhältnisse wird als Empfehlung für den Aufzug noch hervorgehoben, dass er ermöglicht, die oberen Geschosse weit besser auszunutzen als bisher. So können z. B. Bewirtungsräume im vierten oder fünften Geschoss eingerichtet werden. Tatsächlich wird der Aufzug, wo er sich vorfindet, fast von jedermann benutzt. Er ist stets im Treppenhaus angelegt und erfordert nur wenig Raum. Nicht unbedenklich erscheint uns aber die Ausführung der Fahrstühle und Schachtwände in Holz, da hierdurch bei Ausbruch eines Brandes nicht nur dem Feuer Gelegenheit zu schneller Ausbreitung gegeben, sondern auch die Benutzung der angrenzenden Treppen nahezu ausgeschlossen wird.