Verkehr – Transport
Die Seiltransportbahn nach dem System
des Freiherrn von Dücker
Deutsche Bauzeitung • 10.8.1871
Deutschland ist die Heimatstätte gar mancher schönen und erfolgreichen Erfindung, aber leider entspricht die deutsche Unternehmungslust diesem Reichtum schaffender Gedanken nicht. Daher kommt es, dass die ausländische Industrie – vornehmlich die englische und amerikanische – sowohl deutsche Erfindungen als die deutschen technischen Kräfte selbst benutzt und an sich zieht; die ersteren kehren dann als vollendete Tatsache unter fremdem Namen und fremder Marke zu uns zurück, um als etwas Außerordentliches angestaunt zu werden, – oft aus dem einzigen Grund, weil sie ›weit her‹ sind – die letzteren sind in der Regel für uns auf immer verloren.
Liegt dieser unzweifelhaften Wahrheit einerseits eine gewisse Schwäche zu Grunde, welche mit der bisherigen politischen Zerrissenheit Deutschlands im Zusammenhang steht, so können andererseits diejenigen Staatsorgane, denen die Belebung und der Schutz der Industrie obliegen, nicht frei von Schuld gesprochen werden, sofern sie oft in bürokratischer Ängstlichkeit und Umständlichkeit der Einführung und Verwirklichung neuer Ideen eher hinderlich als förderlich sind.
In verschiedenen technischen Zeitschriften sind in letzterer Zeit Berichte erschienen über Seiltransportbahnen, die in England und Amerika zur Ausführung und erfolgreichen Anwendung gekommen sind, aber nirgends ist der Tatsache Erwähnung geschehen, dass die Seiltransportbahn durchaus deutschen Ursprungs ist.
Bereits im Jahr 1861 trat der königliche Bergassessor Freiherr von Dücker mit der Idee hervor, den Transport von Kohlen und Erzen über die Weser in der Porta Westfalica mit Hilfe einer Seiltransportbahn zu bewirken. Dieselbe sollte das dortige Eisenwerk mit dem am anderen Ufer der Weser gelegenen Bahnhof verbinden und die sehr umständliche Fortschaffung der Lasten per Achse und Fähre ersetzen. Als Probe wurde im Bad Oeynhausen ein Eisendraht von 157 m Länge und 13 mm Stärke über mehre Unterstützungen hinweggespannt so, dass die Entfernung der letzteren voneinander bis 63 m betrug. Ein eiserner Wagen von etwa 13 kg Gewicht bewegte sich mit großer Leichtigkeit daran und zahlreiche Personen vertrauten sich dem schwebenden Fuhrwerk an. Obwohl damit die Brauchbarkeit der neuen Erfindung bewiesen war und der Eisenbahn-Ingenieur Polko auf Veranlassung der Hüttenwerks-Direktion dieselbe für den bezeichneten Zweck sehr geeignet erachtete, wurde doch von der Regierung zu Minden die Konzession nicht erteilt infolge von Protesten der Flussfähr-Interessenten!
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