Privat- und Werkbahnen in Berlin

Niederbarnimer Eisenbahn AG

Erster Güterverkehr nach 44 Jahren

Berliner Wirtschaft • August 1994

Am 12. Juli 1994 rollte der seit 1950 erste Güterzug über die Gleise der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) – auch Heidekrautbahn genannt –, der von der Gesellschaft in eigener Verantwortung eingesetzt wurde.

Dieser Zug verkehrt seither regelmäßig. Mit zwanzig angemieteten Privatwagen (Zweitenseiten-Kastenkipper) wird Split fünfmal in der Woche von Kamenz nach Wandlitz zu der Anschlussbahn eines Unternehmens für Baustoffhandel transportiert. Um Leerfahrten zu vermeiden, ist geplant, in der Gegenrichtung Bauschutt für die Verfüllung von Tagebauen in der Lausitz zu befördern.

Mit diesem Güterzug unternimmt die NEB den ersten Schritt, den Betrieb auf den eigenen Gleisen wieder in eigener Regie zu übernehmen. Die Privatbahn wurde im Jahre 1900 als ›Reinickendorf-Liebenwalde-Groß Schönebecker Eisenbahn AG‹ gegründet. Sie verfügte ursprünglich über ein Netz von 62 km Länge mit den Endpunkten Wilhelmsruh in Berlin, Liebenwalde und Groß Schönebeck. In den 1920er Jahren kam noch die Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde hinzu. Eigentümer waren zu 99 % Gebietskörperschaften und Kommunen im Einzugsbereich der Bahn. 1950 wurde zwischen der Gesellschaft und der Deutschen Reichsbahn ein Vertrag geschlossen, der die Übernahme von Betrieb und Vermögensverwaltung der NEB durch die Reichsbahn vorsah. Im Westteil existierte die NEB als selbständiges Unternehmen weiter; sie verwaltete jedoch nur die dortigen nicht betrieblich benötigten Grundstücke. Auf der Industriebahn zwischen Tegel und Lübars verkehrte die Reichsbahn. Da die NEB nicht enteignet worden war, erübrigte sich nach der Wende eine Reprivatisierung. Seit dem 1. Juni 1991 verwaltet die Bahn wieder ihren gesamten überkommenen Grundbesitz selbst. Heute ist die Industriebahn-Gesellschaft Berlin mbH (IGB), eine Tochtergesellschaft des Landes Berlin, mit 67 % Hauptaktionär der Gesellschaft. Die übrigen Anteile werden von der Deutschen Ausgleichsbahn treuhänderisch für Gebietskörperschaften in Brandenburg verwaltet.

Vorläufig liegt die Betriebsführerschaft auf der NEB noch bei der Deutsche Bahn AG (DB). Die DB erhält dafür bis Ende 1996 einen Defizitausgleich aus dem Bundeshaushalt. Wer danach den Betrieb übernehmen wird, steht noch nicht fest. Die NEB kann ihn selbst übernehmen, einer anderen Privatbahn oder wieder der DB überlassen. Den Überschuss aus dem Grundstücksgeschäft verwendet die NEB zur Renovierung und Modernisierung ihrer Anlagen. Die Bahnhöfe Zühlsdorf und Liebenwalde wurden bereits instand gesetzt. Die Renovierung des Bahnhofs Wandlitzsee soll noch in diesem Jahr beginnen. Der durch den Mauerbau bedeutungslos gewordene Streckenabschnitt Wilhelmsruh-Schönwalde wird bis Mitte nächsten Jahres so hergerichtet, dass er als Versuchsstrecke für einen Berliner Hersteller von Schienenfahrzeugen für den Nahverkehr und Reisezugwagen dienen kann.

Auf dieser Trasse könnte auch wieder Personenverkehr stattfinden. Gegenwärtig enden die Regionalzüge auf der NEB noch im S-Bahnhof Karow. Die NEB favorisiert ihre historische Streckenführung nach Wilhelmsruh mit Fortführung der Züge über die Strecke der DB zum zukünftigen Regionalbahnhof Gesundbrunnen, um einen besseren Anschluss an das Berliner Nahverkehrsnetz zu erhalten. Dafür wären allerdings noch erhebliche Investitionen erforderlich.

• Hans-Michael Drutschmann

Buchtipp:

Neuerscheinung

Die großartige Entwicklung von Berlin und seinen Vororten ab 1870 hat an den Verkehr auf den Eisenbahnen, besonders an den Verkehr zwischen den Vororten und der inneren Stadt Berlins, Anforderungen gestellt, denen nur durch besondere Anlagen und durch eine besondere Betriebsweise genügt werden konnte. Von dem Aufschwung erhält man ein Bild, wenn man die Entwicklung der Potsdamer Bahn verfolgt. Auf den vorhandenen zwei Gleisen, der sogenannten Stammbahn, ließen sich die drei Verkehrsarten, der Fernverkehr, Güter- und Vorortverkehr, nicht mehr in voller Regelmäßigkeit bewältigen und es musste zur gründlichen Abhilfe der auftretenden Schwierigkeiten die Strecke Berlin – Potsdam viergleisig ausgebaut werden. Die dadurch entstandene neue Vorortbahn, welche am 1. Oktober 1891 eröffnet wurde, hat zum Unterschied von der alten Potsdamer Bahn die Bezeichnung ›Wannseebahn‹ erhalten.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 104 Seiten | ISBN: 978-3-695-14284-2

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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