Handel & IndustrieMaschinenbau

Eine neue amerikanische
Holzbearbeitungs-Maschine

Prometheus • 7.10.1896

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Bekanntlich haben die Amerikaner, deren Heimat trotz des in ihren Urwäldern betriebenen unverantwortlichen Raubbaues immer noch ungeheure Holzvorräte besitzt, die Holzbearbeitungsmaschinen zu hoher Vollkommenheit gebracht. Amerikanische Kettenfräse.Abb. 1. Amerikanische Kettenfräse. So ist z. B. die Bandsäge in ihrer heutigen Form wesentlich amerikanischen Ursprunges, und ein Gleiches kann man sagen von zahlreichen Maschinen, die nun schon auch diesseits des Ozeans die weiteste Verbreitung gefunden haben. Die Maschine, welche wir heute unseren Lesern vorführen wollen, ist ebenfalls in Amerika erfunden worden, sie ist einer Fabrik in New Britain, Connecticut, patentiert worden und wird von Sidney B. Whiteside in New York in den Handel gebracht. Sie ist bereits in einer großen Anzahl amerikanischer Fabriken eingeführt und erfreut sich daselbst, wie wir dem Scientific American entnehmen, des größten Beifalls.

Diese Maschine, deren Konstruktion höchst sinnreich, gleichzeitig aber so einfach ist, dass man sich darüber wundern muss, dass sie nicht schon früher erfunden wurde, hat den Zweck, genau viereckige Löcher in Bretter und Balken zu schneiden. Diese Arbeit kommt bekanntlich in der Holzindustrie ungemein häufig vor. Die weitaus sicherste Art und Weise, Holzteile aneinanderzufügen, besteht ja darin, sie durch Zapfen zu verbinden, welche in passende Löcher eingefügt und in denselben verleimt werden. Zur Herstellung der nötigen Löcher bedient sich der Tischler des sogenannten Loch­beitels, einer Art von scharfem Meißel, welcher mit Hammerschlägen in das Holz eingetrieben wird, während das zwischen den Schnitten stehenbleibende Holz herausgebrochen werden muss. Wirkungsweise der Kettenfräse.Abb. 2. Darstellung der Wirkungsweise der Kettenfräse. Schon frühzeitig hat man sich bemüht, diese unbequeme Arbeit durch Maschinen verrichten zu lassen, aber die zu diesem Zweck erdachten Konstruktionen lehnen sich insgesamt eng an die Handarbeit an, indem sie die Arbeit durch mechanisch betriebene Meißel besorgen. Ein ganz neues Prinzip dagegen bringt die in unseren Abbildungen dargestellte Maschine zur Anwendung. Dieselbe wird von ihren Erfindern als ›Ketten­säge-Loch­beitel‹ (Chain Saw Mortiser) bezeichnet; wir möchten den Namen ›Kettenfräse‹ vorschlagen. Wie sich aus den Abbildungen ergibt, ist der eigentlich arbeitende Teil der Maschine eine Gliederkette, ähnlich denjenigen, mit welchen jetzt die Fahrräder betrieben werden. Die einzelnen Glieder sind aber aus bestem Werkzeugstahl gefertigt und mit auswärts gerichteten Zähnen versehen. Die Kette wird durch die Maschine mit einer Schnelligkeit bewegt, welche jeden Zahn 500 – 700 m in der Minute zurücklegen lässt. Die Bewegung wird auf die Kette übertragen durch die obere Rolle, auf der sie läuft, während die untere Rolle an einem in der Größe passenden Stahlstab befestigt ist, der zur Spannung der Kette dient. Unterhalb der Kette befindet sich ein Tisch, auf den das zur Bearbeitung bestimmte Holzstück aufgesetzt wird.

Sowie der Arbeiter mit dem Fuß das an der Maschine vorhandene Pedal niederdrückt, wird durch eine Hebelübersetzung ein Riemen auf eine Scheibe geschoben, welcher eine zur Hebung des Arbeitstisches bestimmte Schraube in Bewegung setzt. Es wird also das Arbeitsstück gegen die Fräse gestemmt, die sich, wie Abb. 1 es zeigt, mit großer Schnelligkeit in das Holz einbohrt. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob das Holz weich oder hart, splittrig oder zäh ist, die ausschließlich schneidende Wirkung des Werkzeuges bringt es mit sich, dass das Werkstück niemals zersprengt wird, selbst wenn der stehenbleibende Teil des Holzes auch nur Karten­dicke besitzt. Die von den Zähnen der Kettenfräse erzeugten Späne werden von dem Werkzeug selbst aus dem Loch mit großer Schnelligkeit hinausgetrieben und sprühen, wie sich aus der Abbildung ergibt, gegen einen Blechschirm, unter dem sie von einem Ventilator wegge­sogen werden. Apparat zum Schärfen.Abb. 3. Apparat zum Schärfen der Kettenfräse. Die Arbeit der Maschine gestaltet sich auf diese Weise zu einer außerordentlich reinlichen. Da außerdem die Kettenfräse nur ein geringes Geräusch verursacht, so unterscheidet sie sich auch in dieser Hinsicht vorteilhaft von den früher zum gleichen Zwecke üblichen polternden Vorrichtungen. Es ist selbstverständlich, dass die Dimensionen des geschnittenen Loches abhängig sind von der Dicke der Kettenglieder und der Breite des zur Spannung benutzten Stahlstabes. Jeder Maschine sind daher verschiedene Ketten und Stahlstäbe beigegeben, welche nach Bedarf eingesetzt werden können. Nach den uns vorliegenden Angaben arbeitet eine Kette bei fortdauernder Benutzung 14 Tage lang, ehe ein neues Schleifen der Zähne erforderlich wird. Zum Schärfen bedient man sich, eben so wie für Bandsägen, einer passend gestalteten Schmirgel- oder noch besser Carbo­rundum­scheibe, welche den Zähnen die richtige Form erteilt. Auch dieser kleine Hilfsapparat ist auf der Abb. 3 dargestellt.

Das Kleingewerbe, der mit wenigen Gesellen arbeitende Tischler und Schreiner wird sich die beschriebene Maschine kaum zu Nutzen machen können, wohl aber ist dieselbe berufen, ein weiteres wertvolles Hilfsmittel der mit allen mechanischen Behelfen arbeitenden Großindustrie zu werden, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu möglichst billigen Preisen Massenartikel zu erzeugen.

• Auf epilog.de am 9. Oktober 2025 veröffentlicht

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