Verkehr – Straßenverkehr
Der Motor von Daimler
Die Gartenlaube • 1889
Der Daimler-Motor zählt zu der Reihe der durch Petroleum in Gang gesetzten Motoren und dessen Verwendung in der Industrie und in unserem Verkehrsleben eine überaus vielseitige ist.

Mit diesem Motor können nicht allein Maschinen aller Art, wie Wasserpumpen, Obstmühlen, Feuerspritzen usw. in Betrieb gesetzt werden, sondern er eignet sich auch vorzüglich zur Fortbewegung von Wagen sowohl auf geschienten Bahnen wie auch auf gewöhnlichen Straßen. Der Daimler-Motor macht die Bespannung entbehrlich und ist darum geeignet, unsere Verkehrsmittel zu vervollkommnen. Die Art und Weise, in welcher dies geschieht, wollen wir ganz kurz an zwei Beispielen erläutern.
Zunächst führen wir unseren Lesern ein Sitzrad vor, welches durch diesen Motor in Gang gesetzt wird. Die Anordnung des Mechanismus ist aus Abb. 2 ersichtlich. Unter dem Sitz B befindet sich der Motor A von 0,5 PS; er findet zwischen den Beinen des Reiters bequem Platz. Der Motor saugt das zum Betrieb nötige Petroleum selbsttätig aus dem Behälter C ein und der Radfahrer braucht nur die Menge des Zuflusses an dem Hahn d zu regulieren. Soll nun der Motor in Gang gesetzt werden, so wird die Lampe e angezündet und der Motor mittels der Kurbel einmal angedreht. Diese Vorbereitung ist in einer Minute geschehen; der Motor arbeitet ruhig, da zur Dämpfung des Auspuffes der Topf F in die Auspuffleitung f eingeschaltet ist. Das Stahlrad steht noch still.
Abb. 2. Konstruktion des Sitzrades. Soll dieses in Bewegung gesetzt werden, so besteigt der Radfahrer dasselbe, ergreift das Steuer G und bringt den Motor mit dem Veloziped-Rad in Verbindung. Dies geschieht durch den Hebel H, die Schnur i und die Spannrolle k. Durch diese wird nämlich der Treibriemen L gegen die Scheiben M und N angezogen. Auf unserer Abbildung sehen wir zwei verschieden große Riemenscheiben; die eine ist durch eine punktierte, die andere durch eine dick ausgezogene Linie angedeutet. Diese Riemenscheiben dienen zur Erzielung verschiedener Geschwindigkeiten. Wird der Treibriemen in die punktierte Lage gebracht, so fährt das Stahlrad langsam, wird er dagegen in die dick ausgezogene Lage gebracht, so wird ein schnelleres Fahren erzielt. Die Bremse p wird durch die Schnur o angezogen. Durch Zurücklegen des Hebels H wird der Treibriemen wieder los und die Bewegung des Fahrzeugs erreicht ihr Ende.
Der erste erfolgreiche Versuch mit dieser Fahrmaschine wurde am 10. November 1886 in Cannstatt angestellt. Für die praktische Verwendung derselben ist besonders zu betonen, dass sie, wenn eine entsprechende, leicht auszuführende Konstruktion des Sitzes wie des Radgestells angebracht wird, auch als selbst lenkbarer Krankenwagen für Gelähmte verwendet werden kann.
Als
Abb. 3. Straßenwagen mit Daimler-Motor. zweites Beispiel für die Verwendung des Daimler-Motors bei unseren Fahrzeugen führen wir eine selbstfahrende Kutsche an, mit der zuerst am 4. März 1887 in Esslingen Versuche angestellt wurden.
Ihr Betrieb (vgl. Abb. 4) ist ähnlich dem des Sitzrades. Auch hier sitzen auf der Achse des Motors A zwei Riemenscheiben b und c, die durch den Handhebel d bequem aus- oder eingerückt werden können, wobei sie entweder lose oder fest auf der Achse sitzen. Die eine (b) ist für den Schnellgang, die andere (c) für den Langsamgang bestimmt, während für den Stillstand der Kutsche beide Scheiben ausgerückt werden. Diese Riemenscheiben stehen durch je einen Riemen mit den Scheiben e und f in Verbindung. e und f sitzen auf der Achse g, welche am Hinterteil des Wagens unter den Wagenfedern gelagert ist. Diese Achse trägt die Zahnräder h, welche in die Zahnkränze i eingreifen, die an den Speichen der hinteren Räder angebracht sind. Wird nun durch die Drehung der Riemenscheiben auch die Achse gedreht, so greifen die Zahnräder h in die Zahnkränze i ein, die Räder drehen sich vorwärts und die Kutsche wird fortbewegt.
Abb. 4. Konstruktion des Straßenwagens. Der Kutscher, der wie üblich vorne sitzt, lenkt den Wagen mit dem Steuer k das zu seiner Linken liegt. Der Drehapparat ist an dem Vordergestell durch den Zahnkranzbogen l angebracht, in den das Zahnrad m eingreift. Der Hebel d, durch den die Kutsche in Gang gesetzt oder zum Stillstand gebracht wird, befindet sich zur Rechten des Kutschers, außerdem ist an der Kutsche eine gewöhnliche Bremse vorgesehen.
An einer großen Anzahl der vorhandenen Kutschen, Postwagen etc. kann die Daimlersche Betriebsvorrichtung angebracht werden.
Welcher Vorteil für das Verkehrsleben erwachsen würde, wenn man Pferde durch brauchbare kleine Maschinen ersetzen könnte, liegt klar auf der Hand. Der Daimler-Motor scheint berufen zu sein, die Lösung dieser Frage, die schon seit langen Jahren angestrebt wird, wirklich zum Austrag zu bringen.