VerkehrPostwesen

Die Luft-Eisenbahnen in London

Von Friedrich Althaus

Die Gartenlaube • 1865

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Vor kurzem wurde ein neues Glied in der Kette der merkwürdigen Unternehmungen vollendet, welche bestimmt sind, teils die Flut des entschieden unbequem gewordenen Weltverkehrs in den Straßen von London auf gewisse Grenzen zu reduzieren, teils die Nachteile zu mindern, welche die ungeheuren räumlichen Entfernungen der Hauptstadt der Lokomotion und dem geschäftlichen Verkehr auferlegen. Die unterirdische Eisenbahn, welche seit zwei Jahren einen Teil der City mit dem Westende verbindet, kann in dieser Hinsicht als ein höchst erfolgreicher Versuch gelten, und sobald dieselbe bis an die Themse weitergeführt und mit den in der Nähe des Flusses befindlichen Haupteisenbahnhöfen in Verbindung gesetzt sein wird, wird London ein System innerer Kommunikation besitzen, das innerhalb der Stadtgrenzen des von drei Millionen Menschen bewohnten Territoriums eine ebenso große Revolution zu Wege bringen wird, wie die erste Einführung von Eisenbahnen in Landstrichen, deren Verkehr zuvor auf Heerstraßen, Flüsse und Kanäle beschränkt war. Doch man begnügt sich nicht damit, den Dampf zur Erreichung der angedeuteten Zwecke dienstbar zu machen, auch die Luft muss mithelfen, und nach den schon errungenen Resultaten zu schließen, scheint es, als ob man diesem am schwersten zu beherrschenden aller Elemente in der Tat endlich Zügel angelegt oder doch seiner Anwendung Erfolge abgewonnen habe, die alles bisher Erreichte in Schatten werfen. Die Beschiffung der Luft durch Ballons ist im besten Falle noch ein ziemlich riskantes und dabei kostspieliges Fantasiegeschäft. Was ihr fehlt, ist das Steuer, die wissenschaftliche Sicherheit der Lenkung und Richtung. Sämtliche Versuche, in dem unermesslichen Ozean über uns Entdeckungsreisen auszuführen, sind daher bis jetzt mehr oder weniger abenteuerlicher Natur gewesen. Voll von Interesse als Beweise des rastlosen menschlichen Unternehmungsgeistes, war ihr praktischer Nutzen doch im Ganzen verhältnismäßig gering. In London aber hat sich unter dem Namen der Pneumatic Dispatch Company eine Gesellschaft gebildet, welche die Ausbeutung der Luft in den unterirdischen Regionen zum Zwecke hat, und die jüngsten praktischen Resultate der Bemühungen dieser Gesellschaft sind es, wovon wir den Lesern ein Bild vorführen wollen.

Der Vorschlag zur Anlegung von Eisenbahnen, bei denen statt des Dampfes die Luft die bewegende Kraft sein solle, wurde bereits vor zehn Jahren in England erörtert. Er war im Grunde nichts weiter, als eine Ausführung des Prinzips, nach welchem die Luftpumpe arbeitet, und ein im Kristallpalast in Sydenham angestellter Versuch fiel vollkommen befriedigend aus. Dennoch verging längere Zeit, bevor Unternehmer und Kapitalien sich zusammenfanden, dem Prinzip eine umfassendere Anwendung zu geben, und die Ankündigung einer Pneumatic Dispatch Company rief in der an luftigen Spekulationen so fruchtbaren Hauptstadt ein ungläubiges Lächeln hervor. Indes die Compagnie kam zu Stande, mit dem Herzog von Buckingham als Präsidenten; sie erlangte durch einen Parlamentsakt die Erlaubnis, ihre Pläne auf der Strecke zwischen dem Nordwestbahnhof in Euston-Square und dem rund 1,2 km entfernten Postbüro in Eversholtstreet durchzuführen, und etwa ein Jahr nachher hörte man, dass diese Strecke vollendet und in Tätigkeit sei. Was zunächst beabsichtigt wurde, war weiter nichts, als die Beförderung von Briefsäcken und kleineren Paketen, und die zu diesem Zweck getroffenen Vorkehrungen waren so befriedigend und erleichterten so entschieden die Riesenarbeit der Postbeamten in jener Gegend, dass das Generalpostamt der Compagnie mit Vergnügen die Hand bot und die weitere Ausdehnung der pneumatischen Operationen nach Kräften befürwortete.

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• Auf epilog.de am 12. Mai 2023 veröffentlicht

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