VerkehrPostwesen

Allerlei Postalisches

Die Woche • 25.2.1911

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

Die Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch mechanische und maschinelle Hilfsmittel macht auch im Postverkehr immer mehr Fortschritte. Neben Schreib-, Rechen-, Nummerier- und ähnlichen Maschinen sind als besonders wichtig die Stempelmaschinen zu nennen, die bei vielen Postämtern in Gebrauch sind und die Sendungen mit den bekannten langen Aufgabestempeln versehen. Leider werden durch die Maschinenstempel nicht selten, namentlich bei Postkarten, Angaben, die für den Empfänger von Wert sind, undeutlich gemacht. Doch wird sich dieser Mangel bei fortschreitender Technik der Maschinen wohl beseitigen lassen, freilich nur dann, wenn sich die Absender gewöhnen, die Freimarken stets vorschriftsmäßig in die rechte obere Ecke der Aufschriftseite zu kleben, was bis jetzt aus Unachtsamkeit oder Spielerei nur zu oft nicht geschieht.

Recht brauchbare Helfer der Postämter sind die Postwertzeichenautomaten, die in mehr als 500 Orten des Reichspostgebiets aufgestellt sind und bereits einen Absatz von 3 500 000 Mark im Jahr aufzuweisen haben. Wertvoll ist bei ihnen namentlich, dass sie auch bei Schalterschluss zugänglich sind. Das Gleiche gilt von den Einschreibautomaten, die den Auflieferern von Einschreibbriefen das häufig ziemlich lange Warten am Schalter ersparen sollen.

Der Aufgeber braucht seinen Brief nur in den Aufnahmekanal des Automaten zu stecken und eine Kurbel zu drehen und erhält dann alsbald Quittung in Form eines Scheins, der die gleichzeitig auf den Brief aufgedruckte Einschreibnummer ersehen lässt. Wenn sich die Einschreibautomaten, die bei uns bis jetzt nur bei zwei Berliner Postämtern aufgestellt sind, bewähren, werden sie sicher ihren Weg auch zu anderen Postämtern finden.

Eigenartige Maschinen, nämlich Frankierungsmaschinen, sind in Neuseeland in Gebrauch. Die Maschinen, die nur von vertrauenswürdigen Firmen und nur mit Zustimmung der Postverwaltung benutzt werden dürfen, bedrucken Briefsendungen und Telegramme mit den zur Frankierung nötigen Werten und zeichnen die aufgedruckten Beträge wie Rechenmaschinen auf. Die so bedruckten Sendungen werden von der Post in Höhe der aufgedruckten Werte als frankiert angesehen; die monatlich oder zu anderen Fristen an die Post zu zahlende Summe kann wie bei einem Gas- oder Elektrizitätsmesser abgelesen werden. Die Frankierungsmaschinen sollen sich bis jetzt bewährt haben. Allerdings sind nicht viele Maschinen in Benutzung, und es ist auch nicht bekanntgeworden, dass andere Postverwaltungen die Verwendung gleichartiger Maschinen gestattet hätten.

Die Frankierungsmaschinen führen zu einer anderen interessanten Frage, der der Barfrankierung von Briefsendungen. Das Aufkleben der Marken, das bei einzelnen Sendungen kaum ins Gewicht fällt, wird bei Massensendungen als sehr lästig empfunden, und es ist deshalb vielfach der Wunsch geäußert worden, dass in den geeigneten Fällen an Stelle der Verwendung von Freimarken die Bar-Entrichtung des Frankos gestattet werden möchte. Einige Postverwaltungen, so außer der amerikanischen auch die bayrische, württembergische und schweizerische, haben diesem Wunsch Rechnung getragen und lassen unter gewissen Bedingungen die Barfrankierung zu. Die meisten Verwaltungen, darunter die Reichspostverwaltung, haben sich indes bisher gescheut, Ausnahmen von dem auch im Weltpostvertrag für Sendungen des internationalen Verkehrs niedergelegten Grundsatz, dass die Briefsendungen mit Freimarken frankiert werden müssen, zu gestatten. Wo die Barfrankierung eingeführt ist, werden die Sendungen postseitig mit einem Stempel, meist einem Maschinenstempel, bedruckt, der die geschehene Frankierung erkennen lässt und in der Regel zugleich als Aufgabestempel dient. Misslich ist, dass bei den einmal mit dem Frankostempel bedruckten und abgesandten Sendungen jede Nachprüfung der richtigen Gebührenverrechnung unmöglich ist, und dass deshalb die Gefahr naheliegt, es könne durch unbefugtes Aufdrucken des Stempels eine unter Umständen erhebliche Schädigung der Postkasse herbeigeführt werden. Für den Postbetrieb ist es ferner sehr lästig, dass die bar zu frankierenden Sendungen zur Berechnung des Frankobetrags gezählt werden müssen, was bei den mit Marken frankierten Sendungen nicht zu geschehen braucht. Wenngleich danach nicht geringe Schwierigkeiten bestehen, wird man doch annehmen dürfen, dass das letzte Wort in der Sache auch bei den Verwaltungen, die sich bis jetzt ablehnend verhalten, noch nicht gesprochen worden ist.

Die Bedenken gegen die Zulassung der Barfrankierung dürften z. B. zu einem guten Teil beseitigt sein, wenn es gelingen sollte, Maschinen herzustellen, die beim Aufdrucken des Frankostempels die Zahl der Stempelabdrücke, vielleicht auch die Frankobeträge aufzeichnen und dadurch eine leichte Kontrolle über die richtige Vereinnahmung der Gebühren ermöglichen.

Außer dem Aufkleben der Marken ist bei den Massensendungen auch das Adressieren mühsam und zeitraubend, und es ist öfter angeregt worden, dass die Post auch unadressierte Sendungen verteilen möchte, wie es in größeren Städten Englands bereits geschieht. Allerdings hat auch diese Sache ihr Schwieriges. Zum Beispiel würde die Auswahl der Empfänger für die Post nicht leicht sein, wenn verhältnismäßig wenige Sendungen aufgeliefert werden, oder wenn die Verteilung nicht beliebig, sondern an einen bestimmten Kreis von Empfängern bewirkt werden soll. Möglicherweise wird sich eine Drucksachenverteilung, wie sie in England besteht, bei uns später an den neuen Dienstzweig angliedern lassen, den die Reichspostverwaltung zum 1. April 1911 in einer Anzahl von größeren Städten in dem Ortsschnelldienst einführen will, und der sich darauf erstrecken soll, dass auf Verlangen Sendungen (auch solche ohne Aufschrift) durch besonderen Boten abgeholt und bestellt werden. Einstweilen ist dieser Dienst nach seiner ganzen Anlage, namentlich auch nach der Höhe der Gebühren, nur für einzelne Sendungen berechnet; er wird aber vielleicht im Laufe der Zeit auf Massensendungen ausgedehnt werden können. Übrigens bieten unsere außergewöhnlichen Zeitungsbeilagen, die gegen mäßige Gebühren den durch die Post vertriebenen Zeitungen und Zeitschriften beigegeben werden können, schon jetzt ein bequemes Mittel, um Drucksachen ohne große Kosten mit Hilfe der Post unadressiert bestimmten Kreisen von Interessenten zuzuführen.

Mit dem Ortsschnelldienst, bei dem es sich um eine postartige Beförderung handelt, der aber der Telegrammbestellung angegliedert werden soll, wird eine neue Verbindung zwischen den in der Postverwaltung vereinigten Verkehrszweigen geschaffen. Ein derartiges Zusammenwirken mehrerer Verkehrszweige besteht auch sonst schon vielfach. Recht häufig wird von den telegrafischen Postanweisungen Gebrauch gemacht. Auch die seit 10 Jahren zugelassene Auflieferung von Telegrammen mittels des Fernsprechers hat sich, da die Gebühren dafür nicht hoch sind, gut eingebürgert, nicht minder die Einrichtung, dass sich die Empfänger ihre eingehenden Telegramme durch den Fernsprecher zusprechen lassen können. Wenig bekannt scheint dagegen zu sein, dass mittels des Fernsprechers Mitteilungen auch zur Weiterbeförderung mit der Post im Brief oder mit Postkarte – sowie zur Weiterbeförderung durch Eilboten – aufgegeben werden können. In England werden seit kurzem nicht nur eingegangene Telegramme, sondern, allerdings nur Sonntags, auch eingegangene briefliche Mitteilungen auf Verlangen des Absenders den Empfängern mittels des Fernsprechers zugesprochen. Vielleicht würde ein solches Zusprechen brieflicher Mitteilungen, das namentlich für Landorte, an Sonntagen auch für Empfänger in Postorten von Wert wäre, auch bei uns eingeführt werden können.

Eine Einrichtung, bei der Post und Telegrafie in bemerkenswerter Weise zusammenwirken, besteht in Frankreich und neuerdings auch in den Vereinigten Staaten von Amerika in den Brieftelegrammen. Die Brieftelegramme, für die eine ermäßigte Gebühr gilt, werden nur während der späten Abend- und Nachtstunden mittels des Telegrafen befördert und durch die dem Bestimmungsort zunächst gelegene Telegrafenanstalt mit Spät- oder Nachtdienst den Empfängern auf dem Postweg übermittelt. Sie gelangen in der Regel am Tage nach der Aufgabe mit der ersten Post in die Hände der Empfänger und ermöglichen so eine ziemlich rasche, dabei aber nicht teure Übermittlung auch umfangreicherer eiliger Nachrichten. Die Einführung dieser billigen Telegramme auch in Deutschland unterliegt, wie bei den vorjährigen Etatsverhandlungen im Reichstag von amtlicher Stelle mitgeteilt worden ist, der Erwägung.

Im Auslandsverkehr können seit einigen Jahren Telegramme auf Wunsch des Absenders zum Teil mit der Post befördert werden, wenn der Absender die Telegrafenanstalt, bis zu der die telegrafische Übermittlung erfolgen soll, bezeichnet; Sache dieser Anstalt ist es dann, die Weitersendung mit der Post zu bewirken. Diese Posttelegramme, die beim Publikum noch wenig bekannt zu sein scheinen, sind namentlich für den überseeischen Verkehr wichtig, denn sie machen es möglich, dass bis ganz kurz vor Abfahrt eines Dampfers Mitteilungen mit ihm abgesandt werden können. Frankreich und nach ihm auch England haben diese Art der Telegrammübermittlung für ihren Kolonialverkehr weiter ausgebaut, indem sie die von Hafen zu Hafen mit der Post versandten Telegramme im Bestimmungsgebiet wieder auf telegrafischem Weg befördern lassen. Es erscheint der Erwägung wert, ob eine gleichartige Telegrammbeförderung nach Vereinbarung mit den beteiligten Verwaltungen nicht auch für den deutschen Kolonialverkehr oder noch besser für den überseeischen Verkehr überhaupt eingeführt werden könnte.

• Oberpostinspektor H. Herzog

• Auf epilog.de am 8. Januar 2024 veröffentlicht

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