Forschung & TechnikRaumfahrt

Kosmisches Rendezvous der Raumsonden Galileo und Cassini am Jupiter

Einzigartige Chance für wissenschaftliche Untersuchungen

tvi.ticker • 13. Dezember 2000

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Zum Jahreswechsel wird es rund 600 Millionen Kilometer von der Erde entfernt am Planeten Jupiter zu einer einzigartigen ›Begegnung‹ zweier Raumsonden kommen. Die beiden NASA-Sonden Galileo und Cassini werden diese einmalige Situation nutzen, um gleichzeitig und aufeinander abgestimmt Jupiter, den größten Planeten des Sonnensystems, aus unterschiedlichem Abstand und von verschiedenen Blickwinkeln aus genauer zu untersuchen. Die Wissenschaftler haben dabei insbesondere die sich schnell ändernden Wetterverhältnisse auf dem ›fluiden‹ Planeten, der keine feste Oberfläche besitzt, im Visier. Bei der größten Annäherung am 3. Januar 2001 werden die beiden Sonden rund 7,2 Mill. km voneinander entfernt sein – für astronomische Verhältnisse also relativ nahe.

Raumsonde Galileo untersucht Jupiter und seine Monde

Wenn die beiden Sonden am Jupiter ›aufeinandertreffen‹, haben sie bereits eine lange Reise hinter sich. Galileo ist schon vor elf Jahren gestartet, um den Riesenplaneten und seine Monde genauer zu untersuchen. Raumsonde GalileoFoto: NASA Die Galileo-Mission, an der Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Kameraexperiment wissenschaftlich beteiligt sind, hat einzigartige Erkenntnisse über die Beschaffenheit unseres Sonnensystems gebracht. So hat die Sonde intensiv den Jupitermond Europa untersucht, auf dem ein riesiger Ozean unter einer viele Kilometer dicken Eisdecke vermutet wird. Ebenso hat die Sonde exzellente Aufnahmen von vulkanischen Ausbrüchen auf dem Jupitermond Io geliefert. Zurzeit wird Galileo für einen nahen Vorbeiflug am Jupitermond Ganymed vorbereitet, der am 28. Dezember 2000 erfolgen soll. Zwei Tage später, bei Cassinis größter Annäherung an Jupiter, wird Galileo rund 1,4 Mill. km vom Riesenplaneten entfernt sein.

Raumsonde Cassini forscht auf der Durchreise

Die Raumsonde Cassini / Huygens (Orbiter mit Eintauchsonde) begann am 15. Oktober 1997 ihre fast siebenjährige Reise zum Ringplaneten Saturn. Sie wird sich nun auf ihrer Reise dorthin dem Riesenplaneten Jupiter am 30. Dezember 2000 bis auf knapp 10 Mill. km annähern.

Dabei nutzt sie dessen Anziehungskraft, um ein letztes Mal Schwung zu nehmen und endgültig Kurs in Richtung Saturn einzuschlagen. Die für dieses Manöver notwendige Nähe zum Planeten Jupiter wird die Raumsonde nutzen, um quasi auf der Durchreise wissenschaftliche Messungen vorzunehmen. Bereits Anfang Oktober wurden die Bordinstrumente eingeschaltet, die bis 90 Tage nach dem sogenannten ›Swingby-Manöver‹ ihre Messungen fortsetzen werden. Schon jetzt liefern die Bordkameras von Tag zu Tag bessere Aufnahmen von dem komplexen Wettergeschehen auf dem Planeten Jupiter. Cassini / Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA, der europäischen Raumfahrtagentur ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Das DLR ist wissenschaftlich durch Teammitgliedschaften am Kameraexperiment und an zwei Spektrometern sowie wissenschaftlich und ›hardwaremäßig‹ am Staubdetektor an der Cassini-Mission beteiligt.

Galileo-Sonde robuster als erwartet

Für die Wissenschaftler ist das Rendezvous der beiden Raumsonden eine glückliche und überraschende Fügung, die so nicht geplant war und auch nicht erwartet werden konnte. Der Grund dafür ist das ausgezeichnete Funktionieren der Galileo-Sonde, und zwar weit über die geplante Lebensdauer hinaus. So konnte die NASA die Mission bereits zweimal verlängern, wodurch sich die Missionsdauer gegenüber der ursprünglichen Planung bereits mehr als verdoppelt hat. Für das kommende Jahr sind weitere gezielte Vorbeiflüge an den Jupiter-Monden Callisto und Io geplant.

Jupiter im Visier der Wissenschaftler

Die gemeinsamen Messungen von Galileo und Cassini, die zudem durch Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskops aus der Erdumlaufbahn und durch irdische Observatorien ergänzt werden, erlauben es, Vorgänge im Detail zu studieren, die ansonsten verborgen blieben. So werden Wissenschaftler des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik, die Staubdetektoren auf beiden Sonden fliegen, Staubteilchen registrieren, die vom Vulkanmond Io stammen und auf beide Raumsonden treffen, allerdings zeitlich um neun Stunden versetzt. Schon seit längerem weiß man, dass Io – für kosmische Verhältnisse – eine intensive Staubquelle im Jupiter-System ist, die etwa ein Kilogramm Staub pro Sekunde freisetzt. Freilich ist die Staubkonzentration im Vergleich zu irdischen Maßstäben gering: Bei der mehrere Millionen Kilometer entfernten Sonde Cassini erwartet man in einem Volumen von 3 m³ gerade mal ein Staubteilchen.

Deutsche Wissenschaftler an Untersuchung beteiligt

Da deutsche Wissenschaftler an Instrumenten auf beiden Sonden beteiligt sind, bedeutet auch für sie das bevorstehende kosmische Rendezvous eine besondere Chance zur wissenschaftlichen Erforschung des Jupiters. Die Staubdetektoren der Raumsonden Galileo (Dust Detector System, DDS) und Cassini (Cosmic Dust Analyzer, CDA) wurden von einem internationalen Wissenschaftlerteam mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gebaut. Das Berliner DLR-Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung partizipiert mit mehreren Gruppen von Wissenschaftlern sowohl am Cassini-Staubdetektor als auch an drei weiteren Experimenten auf Cassini. Ferner ist das Berliner Institut auch an dem Kamera-Experiment auf Galileo als einzige nichtamerikanische Gruppe beteiligt. Deutsche Forscher sind insgesamt an acht Instrumenten auf der Muttersonde Cassini und an drei weiteren auf der Eintauchsonde Huygens beteiligt.

Doch nicht nur Messungen von Staubpartikeln stehen im Vordergrund der ›Rendezvous-Forschung‹. Die Zusammensetzung und Dynamik der Jupiteratmosphäre sowie Polarlichteffekte und gewaltige Gewitterstürme stehen auf dem Beobachtungsprogramm. Gleichfalls werden die Galileischen Monde Io, Europa, Ganymed und Callisto beobachtet, und erstmals sollen Größe, Form und Rotationsdauer des äußeren Mondes Himalia bestimmt werden.

Nach dem kosmischen Rendezvous wird die Raumsonde Cassini / Huygens die Reise zum Ringplaneten Saturn fortsetzen, den sie im Sommer 2004 erreichen soll. Die europäische Eintauchsonde Huygens, die beim Jupitervorbeiflug nicht in Aktion tritt, soll sich nach gegenwärtiger Planung im November 2004 von dem Orbiter Cassini trennen, in die dichte Atmosphäre des Saturnmondes Titan eintauchen und auf dessen Oberfläche landen.

Quelle:  Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

• Auf epilog.de am 17. Dezember 2000 veröffentlicht

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