Handel & Industrie – Banken & Finanzen
Hamburgs großer Geldschrank
Die Gartenlaube • 1875
Unter den vielen ›berechtigten Eigentümlichkeiten‹ der freien Stadt Hamburg ist eine, die namentlich dem nichthamburgischen Geschäftsmann, wenn er von ihr erfährt, wunderlich genug erscheint. Wird dem Hamburgischen Kaufmann ein fälliger Wechsel präsentiert, so ruft er nicht, wie etwa der süddeutsche Großhändler tun würde, seinen Kassierer, der dann Gold, Silber, Banknoten, Coupons und wie alle die Variationen des Themas ›Geld‹ heißen mögen, aufzählt. Der Hamburger, respektive sein Handlungsgehilfe, spricht vielmehr das große Wort gelassen aus: »Wird abgeschrieben«. Und der Bringer des Wechsels entfernt sich zufriedengestellt. Erst am Nachmittag erfährt der Wechselinhaber, ob sein Geld wirklich eingegangen ist.
Bei der in Rede stehenden Ausgleichung wandert nämlich weder Münze noch Papier von Hand zu Hand. Von beiden hat der Hamburger Kaufmann fast immer nur verhältnismäßig ganz geringe Beträge in der Kasse. Sein Geld liegt in dem ›gemeinsamen großen Geldschrank‹ der Hamburger Kaufmannschaft, in der ›alten Hamburger Bank‹. Jeden Mittag an Wochentagen kurz vor oder nach ein Uhr erscheint der Bankinteressent oder sein Spezialbevollmächtigter, dem er die ›Bank-Prokura‹ verliehen hat, persönlich in der Bank und gibt eine Anzahl von ›Bankzetteln‹ ab. Das gedruckte Formular eines solchen Zettels lautet:
Die Herren und Bürger der Bank
gelieben zu zahlen an . . . . . . . . . . . . . die Summe
von . . . . . . und mir solche Mark . . . . . . . . . . . . .
von meiner Konto Folio . . . . . . abschreiben zu lassen.
Solches soll mir gute Zahlung sein.
(Folgt Raum für das Datum und gewöhnlich noch der gleichfalls gedruckte Name des betreffenden Bankinteressenten.)
Die Summe wird einmal in Zahlen und einmal in Buchstaben, das ›Folio‹ nur in Zahlen ausgedrückt. Die noch übrige Lücke füllt selbstverständlich der Name desjenigen aus, an den die Bankzahlung geleistet werden soll.
Dann übertragen die ›Bankschreiber‹ die betreffenden Summen von einem Konto auf das andere und übergeben am Nachmittage dem Boten des Bankinteressenten einen Zettel, auf welchem die eingegangenen Beträge verzeichnet stehen. Von Zeit zu Zeit wird auch dem Bankinteressenten sein Bank-Saldo aufgegeben, um konforme Rechnung zu sichern.
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