Handel & IndustrieFabrikation

Die Fabrikation der fotografischen Platten

Das Neue Universum • 1897

Voraussichtliche Lesezeit rund 7 Minuten.

Dieser Fabrikationszweig ist seit einigen Jahrzehnten immer bedeutender geworden. Alles, was die Arbeit des Fotografen für den Fachmann wie für den Dilettanten erleichtern kann, hat wesentlich zur Entwickelung der Lichtbildnerei beigetragen. Tatsächlich ist bei den Operationen im fotografischen Atelier die Herstellung der Glasplatten, auf denen die lichtempfindliche Schicht ausgebreitet wird, eine mühsame und zeitraubende, größte Sorgfalt und Übung erfordernde Arbeit.

Die Fabrikation dieser Platten ist daher ein sehr interessanter Gewerbezweig, und die dazu benutzten Vorrichtungen sind ganz besonderer Art und sehr vollkommen ausgebildet, weshalb auch für unsere Leser eine Besprechung derselben Interesse bieten dürfte.

Zuerst ist das Zuschneiden der Glasplatten in handelsüblichen Größen aus den von der Glasfabrik gelieferten großen Glastafeln, welche in Kisten von je 120 kg bis 140 kg zum Versand kommen, vorzunehmen. Große derartige Fabriken verbrauchen täglich etwa 6000 kg bis 7000 kg solchen Glases.

Die Beschaffenheit dieses Glases muss eine gute sein. Man bedient sich dazu entweder sehr guten Fensterglases, oder man benutzt auch böhmisches Kristallglas. Die Tafeln dieses Glases müssen frei von Blasen, Schlieren, Rissen und allen sonstigen fehlerhaften Stellen sein. Sie sind poliert und genau eben, damit keine Ungleichheiten in der Bedeckungsschicht entstehen.

Zerschneiden der GlasplattenZerschneiden der Glasplatten.

Die erste Arbeit ist, wie schon bemerkt wurde, die des Zuschneidens in die verschiedenen bei den Fotografen üblichen Formate. Dieses Zuschneiden wird von Frauen in einem von Oberlicht erhellten Raume mittelst der gewöhnlichen Glaserdiamanten ausgeführt. Dieser Teil der Fabrikation ist im ersten Bild dargestellt; die Platte wird dabei auf eine glatte Holzunterlage gelegt und zuerst an den Rändern mit dem Diamanten eingeritzt, um alle Ungleichheiten und Risse zu entfernen und um genau rechtwinkelige Platten zu erhalten. Die eingeritzten Stellen werden dann abgebrochen. Hierbei findet zugleich die erste Absonderung untauglich scheinender Platten statt. Alsdann werden die gut befundenen Platten in Streifen von geeigneter Breite geschnitten.

Der zweite Teil der Arbeit besteht in der Reinigung der zugeschnittenen Platten, denn bevor das Glas mit der lichtempfindlichen Schicht überzogen wird, muss es eine absolut reine Oberfläche erhalten. Zu dem Zweck werden die Platten zuerst mit Wasser abgewaschen, um allen Staub zu entfernen. Diese mechanische Reinigung ist jedoch noch nicht ausreichend, sondern es ist noch eine chemische Reinigung erforderlich. Man taucht daher die Streifen in eine Lösung von chromsaurem Kalium, die mit Schwefelsäure versetzt ist; hierdurch wird jede den Streifen etwa noch anhaftende fremdartige Substanz, wie Fett und dergleichen, zerstört, und zum Schluss werden die Streifen noch mal mit reinem Wasser gut abgespült. Früher führte man diese Arbeit mit der Hand aus, neuerdings aber werden in größeren Fabriken dazu Maschinen benutzt, die mit Bürstenwalzen und Polierwalzen versehen sind. Hierdurch wird an Zeit und Kosten bedeutend gespart. Eine solche von zwei Personen bediente Maschine reinigt täglich etwa 4000 m² Glas; wollte man diese Arbeit mit der Hand ausführen, so würden dazu über hundert Personen erforderlich sein.

Ein dritter Teil der Arbeit bezieht sich auf die Herstellung der sogenannten ›empfindlichen Emulsion‹, deren Zubereitung wir im folgenden nach Professor Eder in Wien, der durch seine Schriften bekanntlich in äußerst fördernder Weise für die Vervollkommnung der fotografischen Methoden gewirkt hat, wiedergeben. Es wird mit der Herstellung der drei folgenden Lösungen begonnen.

  1. 300 g Gelatine in 5 l Wasser aufgequellt;
  2. 200 g Gelatine, 200 g Bromammonium, 6 g Jodkalium mit 2 l Wasser behandelt;
  3. 300 g Silbernitrat und 1 – 2 g Salpetersäure in 1250 g Wasser gelöst.

Diese drei Lösungen werden in Steingut- oder Glasgefäßen von 5 – 7 l Inhalt, wie unser zweites Bild zeigt, zubereitet. Der Raum, worin diese Zubereitung erfolgt, ist durch Tageslicht erhellt, das, wie in dem Raum, wo das Glas zugeschnitten wird, von oben einfällt. Von da an werden aber alle weiteren Arbeiten in Räumen ausgeführt, welche gegen das Einfallen des Tageslichts vollständig abgeschlossen und durch künstliches Licht, das durch rotes oder grünes Glas hindurchstrahlt, beleuchtet werden, um die chemisch wirksamen Strahlen zurückzuhalten. Grünes Licht ist dem gewöhnlich von den Fotografen benutzten roten Lichte vorzuziehen, weil es die Augen der Arbeiter weniger ermüdet und angreift.

Zubereitung der EmulsionDer Zubereitung der empfindlichen Emulsion.

In einem solchen dunklen Laboratorium wird die oben erwähnte empfindliche Emulsion zubereitet, indem man die Lösung des Silbernitrats allmählich in das Gefäß gießt, welches die Flüssigkeit mit dem Bromammonium und Gelatine enthält. Diese Arbeit muss bei einer Temperatur von 40° C ausgeführt werden, damit die Gelatine sich im aufgelösten Zustande erhält, und es wird dadurch Bromsilber und Ammoniumnitrat gebildet. Die Flüssigkeit hat ein milchartiges Aussehen. Man fügt dann die Gelatinelösung hinzu und erhält die Emulsion etwa eine Stunde lang unter öfterem Umrühren auf der Temperatur von 40° C.

Die verdickte Emulsion wird durch Musselin oder feine Silberdraht-Gaze filtriert. Sie geht als dünne, nudelartige Strähne durch dieses feine Sieb, welches sich über einem Gefäß mit Wasser befindet. Von fünf zu fünf Minuten lässt man das Wasser abfließen und füllt frisches ein. Diese Waschung hat zum Zweck, die Salze zu entfernen, welche sich durch die doppelte Zersetzung bei der Herstellung der Emulsion gebildet haben.

Die Emulsion wird dann ausgepresst und in Büchsen gefüllt, in denen man sie etwa eine Woche lang im Dunkeln stehen und, wie der technische Ausdruck lautet, reif werden lässt. Durch dieses ruhige Stehen wird die Empfindlichkeit des Bromsilbers erhöht, indem sich dasselbe in Körnchen ausscheidet. Nach Verlauf dieser Zeit wird die Emulsion mittelst eines Wasserbades erwärmt und dann auf die Maschinen gebracht, um sie in dünner Schicht auf den Glasplatten auszubreiten. Das ist der schwierigste Teil der Fabrikation, denn der Wert der Platten ist von der sorgfältigen Zubereitung der Bromgelatine abhängig. Man hat daher die allergrößte Sorgfalt aufzuwenden. In einigen Fabriken bedient man sich deshalb bei dieser Zubereitung nur silberner Gefäße und stellt fortwährende Untersuchungen über die Brauchbarkeit der Masse an.

Die Ausbreitung der Masse auf den Glasstreifen wird, wie schon gesagt wurde, mittelst Maschinenarbeit ausgeführt. Hierbei werden die Glasstreifen auf endlose Ketten gelegt, die über zwei Rollen laufen. Diese Ketten sind unter sich durch kleine Querstangen vereinigt, um eine Art von Metalltuch mit großen Maschen zu bilden. Durch diese Ketten werden die Streifen unter die Verteilungswalzen geführt, welche die Emulsion in einer vollständig gleichmäßigen Schicht darauf ausbreiten. Hierzu befindet sich die Emulsion in einem besonderen Kasten. Die überzogenen Streifen werden durch eine zweite endlose Führung, die aus einem schwammartigen Stoffe besteht, aus der Maschine durch Eiswasser geführt, wodurch die Gelatineschicht ganz fest wird. Hierauf werden die Streifen vom Führungstuch durch Arbeiterinnen weggenommen und zum Abtrocknen in Stellagen vertikal aufgestellt.

Die Räume, in denen diese Operationen ausgeführt werden, müssen äußerst sauber gehalten und ganz staubfrei sein. Die Arbeiterinnen tragen deshalb Kleider aus blauer Leinwand, weil andere Stoffe leicht Staub aufnehmen und helle Farben schädlich auf die Emulsion einwirken würden. Die Wände und der Fußboden der Arbeitsräume werden fortwährend reichlich mit Wasser abgespült.

Das Trocknen der Platten erfolgt in einem besonderen Raum, in welchen trockene Luft eingeführt wird. Diese Luft wird durch Röhren getrieben, die in Eiswasser liegen, und dann wieder auf die gewöhnliche Temperatur gebracht. Durch diese Abkühlung wird der Luft die Feuchtigkeit entzogen.

Nach dem Trocknen erfolgt das Zerschneiden der Glasscheiben in Platten von geeigneter Länge, wobei das Glas auf der überzogenen Seite mit dem Diamant eingeritzt und dann stückweise unter Auflegen auf eine scharfe Kante abgebrochen wird. Diese Arbeit erfordert viel Geschicklichkeit und Sorgfalt, indem die empfindliche Schicht nicht berührt werden darf. Besonders geübte Arbeiter haben dann jede Platte nochmals sorgfältig zu untersuchen und jede fehlerhafte zu beseitigen.

Schließlich ist noch das Einpacken der Platten zu besorgen, eine Arbeit, die ebenfalls sehr sorgfältig ausgeführt werden muss. Eine Maschine schneidet die Kartons zu, welche zwischen je zwei Platten zu legen sind. Eine andere Maschine biegt diese Kartons V-förmig, so dass man jede Platte bequem in den Karton einschieben kann, ohne die empfindliche Schicht zu verletzen. Die so geborgenen Platten werden dutzendweise oder halbdutzendweise aufgeschichtet und dann jede Schicht in schwarzes Papier verpackt. Diese Pakete kommen in einen Pappkasten, der in geeigneter Weise bezeichnet ist, und so in den Handel.

• Auf epilog.de am 21. April 2023 veröffentlicht

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