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Der Melograph

Ein automatischer Notenschreiber

Das Neue Universum • 1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Es ist schon viel darüber gestritten worden, ob es wünschenswert sei, einen Apparat zu besitzen, der die improvisierten Tonreihen eines klavierspielenden Künstlers so aufzuschreiben vermöge, dass ein Sachverständiger das Niedergeschriebene in ähnlicher Weise in Notenschrift umsetzen kann, wie der Telegrafist die Striche und Punkte auf dem Papierstreifen seines Apparates in die gewöhnliche Schrift. Um die Frage der Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit eines solchen Apparates handelt es sich zunächst für uns aber nicht, sondern darum, auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden kann, ja beinahe erreicht ist.

Roncallis MelodienschreiberAbb. 1. Roncallis Melodienschreiber.

Schon i. J. 1856 machte Du Moncel darauf hinzielende Versuche, ohne aber zu einem befriedigenden Resultat zu gelangen. In einer Zeit, wo die elektrischen Batterien noch sehr unvollkommen waren, ließ sich das erwarten. Dann aber war auf der Wiener Weltausstellung 1873 von dem Ingenieur Roncalli ein hierfür bestimmter Apparat ausgestellt, und wenn er auch noch nicht allen Anforderungen entspricht, so ist doch durch ihn der erste Schritt zur Lösung der Aufgabe getan und es ist interessant zu verfolgen, welche Mittel dafür angewendet werden.

Vorausgeschickt muss werden, dass dabei ein Papier nötig ist, welches mit dem Gemisch von etwa gleichen Teilen einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz und Ammoniumnitrat getränkt ist. Lässt man über ein so präpariertes, geglättetes und schwach angefeuchtetes Schreibpapier einen Stahlstift gleiten, so bringt derselbe keinerlei Veränderung hervor. Geht aber dabei ein elektrischer Strom vom Stift durch das Papier zur Unterlage desselben, so entsteht ein Eisenoxidsalz, welches einen blauen Niederschlag gibt, der auf der ganzen Strecke erscheint, welche der Stift auf dem Papier zurücklegt und sofort aufhört, wenn der Strom unterbrochen wird. Wird statt des Stahlstifts ein solcher von einer Kupferlegierung genommen, so wird der Strich rot sein, Kobalt bringt einen braunen Strich hervor, der eines Wismutstifts wird erst dann mit hellgelber Farbe sichtbar, wenn der Papierstreifen in reines Wasser gelegt wird, Nickel und Chrom bringen grüne Striche hervor, Silber einen unsichtbaren, der sich aber durch die Einwirkung des Lichtes bräunt.

Es ist klar, dass auf diese Weise eine bestimmte Zeichenschrift erhalten werden kann. Roncallis Melograph (Melodienschreiber) benutzt diese chemische Erscheinung. Auf dem musikalischen Instrument (Abb. 1) steht rechts der Schreibapparat, der durch Kupferdrähte mit den einzelnen Tasten verbunden ist, links ein Uhrwerk, durch welches der Papierstreif abgerollt wird, welcher die Schrift empfangen soll, und zwischen beiden ein gewöhnliches Metronom oder ein Taktzähler.

SchreibeapparatAbb. 2. Der Schreibeapparat.

Doch betrachten wir uns den sinnreich gebauten Notenschreiber etwas genauer; er ist in Abb. 2 größer abgebildet. Die metallene Walze A steht mit dem Zinkpol einer konstanten Batterie von wenigen Elementen in Verbindung. B ist ein kammartiges Metallstück mit so viel ganz dichtstehenden Zähnen, als das Klavier etc. Tasten hat. Die den halben Tönen entsprechenden Zähne sind von anderem Metall als die, welche mit den Tasten für die ganzen Töne verbunden sind. Die isolierten Drähte E führen nach Klammern D, welche ihrerseits wieder durch Drähte G mit den einzelnen Tasten in Verbindung stehen. Durch den Hebel N kann der Kamm auf den Zylinder A aufgelegt oder von demselben entfernt werden. Zwischen Kamm und Zylinder A ist das präparierte Papier, welches in größerem Vorrat auf der Walze M aufgewickelt ist und zuletzt zwischen den beiden Walzen F und C durchpassiert; erstere wird durch das Uhrwerk vermittels einer kleinen Treibschnur in Bewegung gesetzt. Den neun Furchen auf der Walze L entsprechen neun gezahnte Kreise, die durch eine Feder gegen F angedrückt werden.

Unter den Tasten des Klaviers, Harmoniums etc. liegt ein Messingstreif, welcher mit dem positiven Pol der Batterie in Verbindung steht. Wird eine Taste angeschlagen, so bringt eine Feder die leitende Verbindung mit dem der Taste entsprechenden Draht G hervor, nun ist der Strom geschlossen und geht da durch das Papier hindurch, wo der entsprechende Zahn des Kammes aufliegt; hier wird aber auch sofort die chemische Reaktion eintreten und durch einen Farbenstrich sichtbar werden, der so lange sich bildet, als die Taste niedergedrückt wird.

Da sich aber das Papier fortwährend abrollt, so muss auch an einer anderen Stelle desselben wieder ein Strich gebildet werden, wenn dieselbe oder eine andere Taste angeschlagen wird. Wie es aber mit einer sich verhält, so ist es mit allen Tasten; sobald sie angeschlagen werden, müssen sie auch auf das Papier reagieren und daselbst ein Zeichen hervorbringen. Doch ist begreiflich, dass der Schreibapparat keinen Unterschied etwa zwischen cis und des macht und dass es nachher Sache des Übersetzers ist, die richtige Note zu schreiben.

Bei vollkommeneren Instrumenten mit fünf und mehr Oktaven würde der Schreibapparat mit seinen vielen Zähnen etwas sehr breit ausfallen und auch der Papierstreif müsste eine beträchtliche Breite haben. Es hat Roncalli daher bei seinem Melographen die Einrichtung getroffen, dass die äußersten Oktaven mit den vorhergehenden entsprechend verbunden werden, also die erste schreibt auf die Stelle der zweiten, die fünfte auf die Stelle der vierten, um sie aber voneinander unterscheiden zu können, bestehen die schreibenden Zähne aus verschiedenem Metall und sind folgeweise auch die Striche verschieden gefärbt.

Ein sehr wunder Fleck bei der ganzen sonst so einfachen und sinnreichen Einrichtung bleibt der Takt; das Metronom zählt in einer bestimmten Stellung diesen Takt und der Spielende wird sich demselben fügen; wenn er aber in einen anderen übergeht, so wird dies auf dem mit längeren und kürzeren Strichen beschriebenen Papier nicht erkennbar sein. Es ließe sich mit Hilfe des Pedals, das auch elektrisch mit einem besonderen Zahn des Kamms verbunden werden kann, ein bestimmtes Zeichen auf dem Papier anbringen, das besagt, dass von hier an der Takt ein anderer sei, aber welcher improvisierende und fantasierende Klavierspieler wird auf einen solchen Gebrauch des Pedals achten?

Die chemische Telegrafie mit schreibenden Stiften auf ein präpariertes Papier hat trotz ihres langen Bekanntseins keine ausgedehntere Anwendung gefunden. Die Hauptursache mag wohl sein, dass sowohl die unterliegende Metallplatte wie die Stifte dabei angegriffen werden und deshalb eine peinlich genaue Reinigung nötig machen. Dies wird auch der weiteren Ausbildung des Roncallischen Melographen im Weg stehen; aber die Entwicklung des Prinzips ist schon deswegen von besonderem Interesse, weil man selbst in Lehrbüchern, welche speziell der Telegrafie gewidmet sind, nur so kurze Andeutungen darüber findet, dass diese zu einem genauen Verständnis durchaus nicht genügen.

• Auf epilog.de am 24. Juni 2024 veröffentlicht

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