VerkehrEisenbahn

Eine ungewöhnliche Schellzuglokomotive

Das Neue Universum • 1882

Eine Schellzuglokomotive von ungewöhnlicher Geschwindigkeit ist für eine der Bahnlinien in Süd-Kanada erbaut worden. Dieselbe hat zur völligen Zufriedenheit funktioniert, bei einer Schnelligkeit, die ohne Bedenken bis zu 130 km/h gesteigert werden konnte. Eine Maschine derselben Konstruktion wird gegenwärtig für die Eriebahn gebaut.

SchnellzuglokomotiveSchnellzuglokomotive.

Die Abbildung führt die Maschine vor. Man erkennt, dass besondere Arrangements getroffen sind, um eine große Schnelligkeit zu ermöglichen, ohne doch den Triebrädern sehr große Dimensionen zu geben. Bei der gewöhnlichen Lokomotivkonstruktion ist dies erforderlich, um unter sonst gleichen Verhältnissen eine bedeutende Geschwindigkeit zu erzielen; dabei leidet jedoch die Sicherheit, d. h. die Neigung zu Entgleisungen nimmt zu. Vor allem auf den doch durchschnittlich weniger sorgfältig konstruierten Eisenbahnen Amerikas wäre ein Höherlegen der Achsen, wie solches durch große Räder erforderlich wird, immerhin ziemlich bedenklich.

Um nun bei geringen Radhöhen eine sehr große Geschwindigkeit zu erzielen, hätte man die Zahl der Umdrehungen pro Minute vergrößern müssen, also auch die Anzahl der Kolbenschübe. Hier war jedoch die zulässige Grenze bereits erreicht, denn eine gewöhnliche Schnellzuglokomotive mit Triebrädern von 2 m Durchmesser macht bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h 250 Raddrehungen mit 500 Kolbenschüben pro Minute, und es würde gefährlich sein, hierüber noch hinauszugehen. Unter diesen Umständen wurde die Aufgabe in eigentümlicher Weise gelöst. Bei der in der Abbildung vorgeführten Maschine ruht das von dem Kolben direkt in Umdrehung versetzte Triebrad nicht auf den Schienen, sondern ist in der Höhe angebracht. Von diesem aus wird erst das auf den Schienen laufende Räderpaar in Umdrehung versetzt, und zwar durch Vermittlung eines Friktionsrades von kleinem Durchmesser, das aber mit dem Schienen-Triebrad auf der gleichen Achse steht. Man erkennt dasselbe deutlich in der Zeichnung.

Die Übrige Konstruktion ist dagegen amerikanischen Lokomotiven ähnlich; besonders fällt für uns die gewaltige Vorrichtung zum Abkehren der Schienengeleise (der sog. Kuhfänger) auf. Unsere Eisenbahnen sind mehr oder weniger frei von zufälligen Hindernissen und werden sorgsam überwacht; in Amerika ist dies weit weniger der Fall und deshalb muss dort vorzugsweise die Lokomotive selbst dafür sorgen, sich freie Bahn zu schaffen.

• Auf epilog.de am 11. September 2022 veröffentlicht

Reklame