Verkehr – Nahverkehr
Eine neue Imperial-Omnibustype
Allgemeine Automobil-Zeitung • 8.3.1914
Das Wiener Straßenbild ist seit geraumer Zeit um eine Besonderheit reicher, und wie es bei Neuerscheinungen die Regel ist, wurde auch diese Besonderheit vom Publikum nicht ohne einiges Wenn und Aber akzeptiert. Der Imperial-Autobus war nicht so bald in Erscheinung getreten, als sich gegen ihn auch schon verschiedene Stimmen erhoben, aus denen zu entnehmen war, dass alles beim alten zu bleiben hätte und dass der Imperial-Autobus einerseits überaus hässlich, andererseits überaus gefährlich und aus diesen Gründen überhaupt aus dem Wiener Straßenverkehr auszuschalten sei.
Über den Geschmack lässt sich nicht streiten. Ob der Autobus schön oder hässlich ist, soll darum hier nicht entschieden werden. Aber die Widersacher vergaßen niemals, auf die mannigfaltigen Gefahren hinzuweisen, die der Imperial-Omnibus in sich berge. Der hauptsächlichste Einwand war bekanntlich der, dass der Schwerpunkt des Wagens infolge seines Aufbaus viel zu hoch gelagert sei und dass in diesem Umstand eine eminente Gefahr des Umkippens liege. Wir widerlegten diese Befürchtung an der Hand einer Fotografie, die einen Autobus der Imperialtype in der Kipprobe zeigte. Das Fahrzeug war mittelst einer schwenkbaren Bodenplatte so schräg gestellt, und zwar ohne zu fallen, dass auch sehr ängstliche Gemüter die Kippgefahr als außerordentlich gering erkennen mussten.
Nun war freilich noch eine Gefahr zu bedenken, über die immerhin zu sprechen wäre. Die Treppe, die in das Stockwerk hinaufführt, wurde als unpraktikabel, ja als halsbrecherisch bezeichnet. Man sagte, dass ein Sturz von dieser Treppe fast unbedingt verderblich sein würde, denn der Unglückliche, der durch eine plötzliche Wendung des Autobusses oder auch nur durch einen kleinen ›Rucker‹ aus dem Gleichgewicht geriete, müsste unfehlbar auf die Straße hinunterstürzen, was besonders bei rascher Fahrt tödlich sein könne. Obzwar es noch selten vorgekommen sein dürfte, dass jemand von der Treppe eines Imperial-Omnibusses auf die Straße stürzte, war man in anerkennenswerter Weise doch bemüht, auch diese Gefahr zu beseitigen, und aus diesen Bemühungen entstand unsere hier wiedergegebene neue Imperial-Autobustype mit Sicherheitsstiege.
Die Sicherheitsstiege ist, wie unsere Abbildungen zeigen, gerade umgekehrt angeordnet, wie bei den bisher üblichen Modellen dieser Autobustype. Die Verteilung der Sitze wurde umgedreht, der Eingang in den unteren Raum im Sinne der Fahrt nach rechts, der in den Oberstock nach links verlegt. Die Treppe beginnt an der dem Einstieg entgegengesetzten Seite der hinteren Plattform, hebt sich im Bogen zur Imperiale empor und führt, den Einstieg überbrückend, in das obere Stockwerk. Bei den älteren Typen ist die Stiege unmittelbar rechts vom Einstieg und wendet nach links zur Imperiale, also gerade umgekehrt. Die Sicherheitsstiege hat den Vorteil, dass ein Unglück durch Abstürzen ausgeschlossen ist. Das Geländer der Treppe ist hoch; die Treppe selbst führt nicht auf die Straße, sondern auf die Plattform, so dass ein eventueller Sturz dort sein Ende finden wird. Die Gefahr eines solchen Absturzes ist, wie wir schon sagten, gering, aber immerhin möglich, und darum bedeutet die neue Omnibustype, die eine solche Gefahr nicht in sich birgt, gewiss einen Fortschritt im Imperial-Autobusbau. Als Nachteil wäre allerdings anzuführen, dass bei großer Passagieranzahl das Aussteigen der Fahrgäste von der Imperiale etwas erschwert erscheint.



