Handel & IndustrieDruck & Papier

Ein Besuch in der Staatsdruckerei zu Berlin

Daheim • 2.5.1868

Voraussichtliche Lesezeit rund 11 Minuten.

Die Staatsdruckerei in Berlin – ist das nicht ein Druckfehler? Soll es nicht heißen: die k. k. Staatsdruckerei in Wien? Wer hat jemals von der Staatsdruckerei in Berlin gehört? Allerdings, an Berühmtheit kann sich die Berliner Staatsdruckerei mit ihrer Schwesteranstalt in Wien nicht messen. Es ergeht ihr, wie so manchem verdienstvollen Manne, der, unbekümmert um das Lob der Menge, in aller Stille pflichttreu fortarbeitet und aus den Tiefen der Wissenschaft oder Kunst Perle über Perle zu Tage fördert, ohne dass die Welt von seinem Ruhm zu sagen weiß – während so viele andere, deren Leistungen weit untergeordneterer Natur sind, durch eigene Reklame oder diejenige einer Clique rasch in der Tagesmeinung emporgehoben werden. Übrigens ist die Berliner Anstalt von der Wiener, deren wohlbegründeter Ruf durch die obige Bemerkung nicht angetastet werden soll, dadurch unterschieden, dass die letztere alle Gebiete der Typographie umfasst und also von vornherein hinsichtlich ihres äußeren Umfanges wie der Ausdehnung ihres Betriebes großartiger erscheinen muss – wohingegen das Berliner Schwesterinstitut sich auf einen einzigen Produktionszweig einschränkt, in diesem aber leicht das Vorzüglichste in der Welt leisten dürfte. Die Wiener Staatsdruckerei arbeitet in vielen Richtungen, welche in industriell höher entwickelten Ländern die Privatindustrie nicht ohne laute Klage sich beeinträchtigen lassen würde; ihre Berliner Schwester dagegen bearbeitet ausschließlich ein Feld, dessen Preisgebung an die Privatindustrie mit tausend Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten verknüpft sein möchte. Die Aufgabe letzterer Anstalt ist nämlich fast ausschließlich die Herstellung von Wertzeichen aller Art: Staatspapieren, Banknoten, Kassenanweisungen, Stempelmarken, Postmarken und gestempelten Briefkuverts. Dazu kommen allerdings noch amtliche Formulare verschiedener Art, Pässe, Gewerbslegitimationen, die vielbekannten Generalstabskarten etc.

Es ist bekannt und begreiflich, dass die Herstellung geldwerter Papiere beinahe sämtliche vervielfältigenden Künste in sich konzentriert, denn es handelt sich dabei vor allem darum, durch möglichste technische Vollendung des Erzeugnisses die unbefugte Nachahmung zu verhüten oder doch zu erschweren. Die ganze Aufgabe einer mit der Hervorbringung von Wertpapieren beschäftigten Anstalt besteht daher in einem unaufhörlichen Kampf gegen die immer wieder auftauchenden Versuche, das Gemeinwohl durch Fälschung zu schädigen. Furchtbare Gegner sind den papierenen Geldzeichen zumal in dem sogenannten Umdruck und in der erstaunlichen Ausbildung der fotografischen Kunst erwachsen, und es ist nicht abzusehen, ob nicht im Laufe der Zeit einmal das papierene Geldzeichen an der Unmöglichkeit scheitern wird, die täuschende Nachahmung zu verhindern. Damit soll nicht gesagt sein, dass endlich die Staats- und Nationalwirtschaft durchaus auf das Metallgeld zurückgreifen müsste, aber die Kreditwirtschaft wird sich vielleicht genötigt sehen, andere Formen aufzusuchen, als in denen sie sich heute noch zum Teil bewegt.

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• Auf epilog.de am 29. September 2023 veröffentlicht

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